Atmen Sie richtig?

Die Heilkraft der Atemtherapie

Holen Sie tief Luft und atmen Sie langsam wieder aus. Spüren Sie, wie Sie automatisch Ihre innere Ruhe finden? Atmen ist mehr als Luftholen. Es ist unser Lebenselixier. Wie wir atmen, gibt Aufschluss über unseren Gesundheitszustand, über unsere Gefühlswelt und unsere Lebenssituation. Sonja Schmitz-Harward, Heilpraktikerin und Atemtherapeutin aus Velbert, beschreibt, welche Heilkraft im richtigen Atmen liegt.

Leben findet statt zwischen dem ersten Atemzug mit der Geburt bis zum letzten Augenblick, wenn der Körper die Seele aushaucht. Pro Tag atmen wir etwa 26.000 Mal. Atmen scheint uns eine Selbstverständlichkeit zu sein. Ein körperlicher Vorgang, der wie beiläufig passiert.

Es sei denn, wir sind tief bewegt – physisch wie emotional. Wir sind „atemlos“, wenn uns etwas Umwerfendes begegnet. In Schrecksekunden stockt uns der Atem. Wenn wir erleichtert sind, machen wir mit einem tiefen Seufzer unserer Seele Luft. Redewendungen, die verdeutlichen, dass der Atem eine Botschaft hat.

Umgekehrt bedeutet dies natürlich auch einen Ansatz zur ganzheitlichen positiven Beeinflussung des Körpers durch gezieltes Atmen, z. B. im Rahmen von Meditationsübungen oder Gebeten. Lesen Sie diesbezüglich auch unseren Artikel Selbstheilung durch Spiritualität.

 

Im Interview

 

Frau Schmitz-Harwardt, warum atmen die meisten von uns nicht richtig?

Weil wir es im Lauf unseres Lebens verlernt haben. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle: mangelnde Bewegung zum Beispiel. Wenn wir zu viel sitzen, erschlaffen unsere Bauchmuskeln, der Rücken verspannt sich. Versuchen Sie einmal, in gebeugter Haltung tief Luft zu holen. Es geht nicht. Das Gleiche ist erkennbar, wenn Menschen Kummer haben. Ihre Schultern fallen nach vorne, sie schauen zu Boden. Der Atem geht flach und die Ausatmung ist zu kurz. Atemtraining beeinflusst nicht nur die Körperhaltung, sondern auch die Psyche. Wer tief in den Bauch atmet und den Ausatem lange fließen lässt, richtet automatisch die Wirbelsäule auf. Der Brustkorb weitet sich und das hebt die Stimmung.

 

Können wir richtiges Atmen wieder neu lernen?

Auf jeden Fall! Wenn wir kleine Kinder beobachten, stellen wir fest: Kinder atmen genau richtig – voller Dynamik. Wir versuchen immer, unsere Kinder zu beruhigen, obwohl das grundverkehrt ist. Mit dem Stillsitzen in der Schule erziehen wir Kinder zum flachen Atmen. Singen ist ein gutes Atemtraining in jedem Alter – ebenso wie Ausdauersport und Lach-Yoga. Um richtiges Atmen neu zu lernen, müssen wir verstehen, was beim Luftholen im Körper passiert.

 

Wie erklären Sie den Atemvorgang aus der Sicht einer Atemtherapeutin?

Einatmen ist ein Reflex, der ausgelöst wird, wenn ein Überschuss an Kohlendioxid besteht – oder aber weil ein Sinnesreiz vorliegt. Wenn wir uns erschrecken, schnappen wir nach Luft und ziehen geräuschvoll viel Sauerstoff ein. Atmen ist nicht nur überlebenswichtig, sondern setzt auch Energie frei, um in Extremsituationen blitzschnell reagieren zu können.

Der Regelkreis der Atmung beginnt im Atemtrakt und wird über das Gehirn gesteuert. Mit der Atmung können wir chemische Prozesse im Körper beeinflussen. Denn die Atmung beeinflusst das Vegetativum und über die Hypophyse auch die hormonellen Regelkreise. Es können Hormone ausgeschüttet werden, die uns entweder antreiben oder die uns beruhigen.

 

Gibt es eine klassische Situation, in der wir mit einer bewussten Atmung viel erreichen können?

Stichwort: Panikattacken. Die Angststörung geht oft mit Hyperventilation einher. Bei dieser schnellen Ein- und Ausatmung sinkt der Kohlendioxidgehalt im Blut. Die Folge: das Blut wird basisch. Man spricht dann von einer respiratorischen Alkolose. Wenn zu wenig Calcium-Ionen im Blut sind, sind die Nerven sehr reizbar. Wir spüren das mit einem Kribbeln in den Händen und Füßen. Im Extremfall kann ein Kohlendioxidmangel im Blut zur Ohnmacht führen. Bei Panikattacken wird dazu geraten, in eine Tüte oder zumindest in die hohle Hand zu atmen, damit Kohlendioxid aus dem Ausatem wieder eingeatmet wird. Lange ausatmen ist eine gute Technik für Angstpatienten, weil das vegetative Nervensystem beruhigt wird.

 

Kann der Atem heilen?

Bei manchen Erkrankungen ist eine Atemtherapie sogar lebenswichtig. Bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, kurz: COPD, handelt es sich um die typischen AHA-Symptome mit Auswurf, Husten und Atemnot. Begleitend zu anderen Behandlungsformen kommt hier die Atemtherapie zum Einsatz. Patienten müssen lernen, in der Dreiphasigkeit zu atmen. In der ersten Phase geht es ums Ausatmen. Wichtig ist, zuerst vollständig auszuatmen, dann eine Atempause einzulegen und auf den Einatem-Reflex zu warten. Es ist trainierbar, länger aus als einzuatmen. Denn mit der Einatmung gelangt zwar Sauerstoff in die Lunge, aber erst mit der Ausatmung versorgen wir unsere Zellen mit dem lebenswichtigen Sauerstoff.

 

Geben Sie uns zum Abschluss noch ein paar praktische Beispiele, um die Atmung zu trainieren?

Die Grundlage für richtiges Atmen ist die Atmungs-Achtsamkeit. Nehmen Sie Ihren Atem bewusst wahr, ohne ihn zu steuern. Lassen Sie Ihren Atem fließen. Aus der Sprach- und Stimmerziehung stammen Techniken wie diese: eine Kerze auspusten, durch einen Strohhalm in ein Wasserglas atmen, hauchen und tönen. Gähnen, seufzen und lachen sind ganz natürliche Varianten, die das Ausatmen verlängern. Mit jedem tiefen Atemzug massieren wir alle unsere inneren Organe und versorgen unsere Zellen mit Sauerstoff. Das Herz schlägt ruhiger, Stress reduziert sich und Muskeln entspannen sich. Ein gesundes Atmen hat eine ganzheitliche Wirkung auf den Körper, den Geist und die Seele. Das ist das Geheimnis der Yogis.

 

 

Atmen wie die Yogis

 

Pranayama

Im Yoga finden wir verschiedene Atemtechniken, die die körperliche und seelische Gesundheit fördern. „Prana“ bedeutet Energie. „Ayama“ heißt übersetzt „Kontrolle“. Mit diesen Übungen können wir unseren Atem bewusst wahrnehmen und unsere Lebensenergie zum Fließen bringen. Die bekanntesten yogischen Atemübungen sind die Feueratmung (Kapalabhati) und die Wechselatmung (Anuloma Viloma).

 

Feueratmung

Sitzen Sie entspannt und atmen Sie mehrmals tief in den Bauch ein und aus, um sich auf Kapalabhati vorzubereiten. Nach einer kürzeren Einatmung folgt die Feueratmung, indem Sie die Luft kraftvoll durch Anspannung der Unterbauchmuskulatur durch die Nase aus den Lungen ausstoßen. Sofort entspannen sich die Muskeln und Luft kann einströmen. Muskeln anspannen und energisch ausatmen. Auf diese Weise atmen Sie zügig 40–60 Mal. Die Feueratmung wird beendet mit einer langen Ausatmung. Atmen Sie zwei Mal ein und wieder aus und wiederholen Sie die Feueratmung. Kapalabhati aktiviert den Sympathikus und wirkt aktivierend. Die Verdauung wird angeregt, der Blutdruck erhöht sich. Wir fühlen uns wach und leistungsfähig.

 

Wechselatmung

Nehmen Sie eine angenehme Sitzhaltung ein. Strecken Sie den Daumen, den Ring- und den kleinen Finger der rechten Hand aus. Zeige- und Mittelfinger bleiben eingeklappt. Verschließen Sie mit dem Daumen das rechte Nasenloch. Atmen Sie durch das linke Nasenloch zuerst aus, dann langsam wieder ein. Zählen Sie im Geist bis 4 und verschließen Sie mit dem Ringfinger das linke Nasenloch. Halten Sie entspannt den Atem an und zählen Sie im Geist bis 8. Öffnen Sie das rechte Nasenloch und atmen Sie langsam und vollständig aus, während Sie bis 8 zählen. Einatmen und dabei bis 4 zählen. Verschließen Sie mit dem Daumen das rechte Nasenloch. Halten Sie entspannt den Atem an und zählen Sie bis 8. Öffnen Sie das linke Nasenloch und atmen Sie aus. Bis 8 zählen. Die Wechselatmung können Sie mehrere Minuten lang praktizieren. Sie tanken Kraft und kommen dabei zur Ruhe. Der Parasympathikus wird aktiviert und das führt zur Entspannung.

 

 

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Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.