Lipödem – Reiterhosen

Reiterhosen – so nennt der Volksmund dieses häufiges Frauenleiden. Der Mediziner sagt: Lipödem. Schwellungen an Beinen und Hüften sind nichts für die leichte Schulter. Sie sind eine ernst zu nehmende Erkrankung. Was ist zu tun, wenn die Beine anschwellen?

 

Ein Artikel von Stefanie Deckers

 

Sinnlose Diäten

Diäten sind leider nutzlos. Das Fettgewebe vermehrt sich unkontrolliert in der Unterhaut. Ein Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung, die Wassereinlagerungen mit sich bringt. Was mit feinen Dellen und einer leichten Orangenhaut (Cellulite) beginnt, kann sich ausweiten. Die Beine nehmen immer mehr an Umfang zu. Hautlappen können sich bilden, die beim Laufen aneinanderreiben. Ein solches Wundscheuern ist schmerzhaft und die Schwellungen unter der Haut führen zu Spannungsgefühlen. Lipödeme sind extrem druckempfindlich. Schon kleine Berührungen können blaue Flecken (Hämatome) hinterlassen.

Ein Lipödem ist eine fortschreitende Erkrankung. Im Lauf der Zeit verhärtet sich das Gewebe. Fettzellen blähen sich auf und üben Druck auf die Gefäße aus. Immer mehr Wasser lagert sich ein, weil das Lymphsystem aus dem Takt gerät. Unbehandelt kann sich aus einem Lipödem ein Lip-Lymphödem entwickeln. Dann staut sich zusätzlich Lymphflüssigkeit im Gewebe und die Schwellungen nehmen weiterhin zu.

 

Achtung: Fehldiagnose

Die prallen Oberschenkel und Hüften, selten sind auch die Arme betroffen, sind eine Belastung. Sie verursachen Schmerzen – auch in der Seele. Oft wird fälschlicherweise ein krankhaftes Übergewicht (Adipositas) diagnostiziert. Erst ein Blick „hinter die Kulissen“ bringt die gestörte Fettverteilung ans Licht. Der Arzt kann ein Lipödem per Ultraschall feststellen oder mithilfe anderer bildgebender Verfahren. Untersuchungen zeigen: meistens sind Frauen betroffen.

 

Jede zehnte Frau leidet darunter

Die Vermutung liegt nahe: Schuld können die Hormone sein. Tatsächlich zeigen sich die ersten Schwellungen oft in hormonellen Umbruchphasen: in der Pubertät oder während der Schwangerschaft, selten allerdings in den Wechseljahren. Östrogen, das weibliche Hormon, scheint eine maßgebliche Rolle zu spielen und könnte eine Erklärung sein, warum Männer kaum mit Lipödemen zu kämpfen haben. Jede zehnte Frau aber leidet unter ihren „Reiterhosen“.

 

Spätfolgen aufhalten

Die Behandlung eines Lipödems ist langwierig. In erster Linie geht es darum, Schmerzen zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Die Spätfolgen können nämlich gravierend sein: Gelenkschäden, Krampfadern und Thrombose. Je eher eine Therapie beginnt, desto besser können die Ergebnisse sein. Schulmediziner und Naturheilkundige sind sich in diesem Fall einig: Kompressionsstrümpfe und Lymphdrainagen können viel bewirken.

 

Die Heilpraktikerin Sonja Schmitz-Harwardt geht einen Schritt weiter. Sie kennt noch mehr Mittel und Wege, die Menschen mit Lipödem das Leben leichter machen können.

 

 

Im Interview…

…beantwortet Sonja Schmitz-Harwardt (Heilpraktikerin, Ernährungs- und Sporttherapeutin) unsere Fragen.

 

Kompressionstherapie und Lymphdrainage. Warum sind die beiden Methoden vorrangig zur Behandlung eines Lipödems?

Lipödeme brauchen Massagen. Also einen gewissen Druck von außen. Kompressionstherapie und Lymphdrainagen gehen Hand in Hand. Beide Methoden ergänzen sich gut und gehören in ihrer Kombination zur sogenannten „komplexen physikalischen Entstauungstherapie“ (KPE). Ziel ist, die Schmerzen zu lindern und die Schwellungen zu reduzieren. Lymphdrainagen – auch Gleitwellenmassagen genannt – führen geschulte Therapeuten durch. Mithilfe eines speziellen Gerätes entstehen sanfte „Wellen“, die wie eine Massage auf das Binde- und Fettgewebe einwirken. Der Lymphfluss soll wieder in Gang kommen, damit Wassereinlagerungen abfließen können.

Auf eine ähnliche Weise arbeitet die Kompressionstherapie mit ihren Strümpfen und Miedern. Steht die Diagnose Lipödem fest, gibt es ein Rezept beim Arzt. Das Fachpersonal in der Apotheke nimmt dann Maß. Kompressionskleidung muss passgenau sein, damit sie ihren Effekt erzielt. Sie dient der Entstauung, damit Schwellungen zurückgehen. Außerdem formt sie den Körper und hat somit einen psychologischen Effekt: Patienten fühlen sich wieder wohl in ihrer Haut.

 

Gibt es noch mehr Massageformen, die hilfreich sind?

Jede Form von Massage ist gut. Speziell beim Lipödem darf es gerne etwas mehr sein. Gezielte Griffe mit erhöhtem Druck sollen tiefe Strukturen im Gewebe erreichen. Schröpfen ist eine altbewährte Methode, um das Bindegewebe zu stärken und den Lymphfluss anzuregen. Massagen mit elastischen Schröpfköpfen aus der Apotheke dienen übrigens auch der inneren Reinigung. Sie können den Körper von Säuren und Stoffwechselendprodukten befreien.

 

Was haben Säuren mit Lipödemen zu tun?

Eine ganze Menge. Unser Lebensstil bestimmt unseren Säure-Basen-Haushalt. Er gerät aus dem Gleichgewicht, wenn wir ständig Schadstoffen ausgesetzt sind. Umweltbelastungen, ungesunde Ernährung, Stress. Jeden Tag müssen wir viel verdauen und es kommt vor, dass das Maß irgendwann voll ist. Wenn wir uns überlastet fühlen, können wir buchstäblich „sauer” werden, d. h. das Gewebe übersäuert. Der Lymphfluss stockt und Stoffwechselendprodukte stauen sich an. Das Lipödem ist möglicherweise ein Zeichen von Übersäuerung des Bindegewebes. Man sagt: Azidose.

 

Wozu raten Sie in diesem Fall?

Eine gute Säure-Base-Balance steht und fällt mit der Ernährung. Frische Zutaten, bestenfalls aus der Region, gehören auf den Teller. Möglichst wenig Fleisch, kaum Zucker, kein Weißmehl und auf Alkohol verzichten. Wer sich gesund ernährt und sich regelmäßig bewegt, tut viel Gutes für sich.

 

Haben Sie noch mehr hilfreiche Tipps, die Lipödem-Patientinnen den Alltag erleichtern können?

Wenn die Beine schmerzen, dann kann Fußgymnastik helfen. Im Sitzen die Beine ausstrecken und mit den Füßen wippen. So aktivieren Sie die Muskelpumpen in den Waden. Das Lymphsystem wird angeregt und die Venen werden gestärkt.

Gut sind alle sanften Ausdauersportarten – vor allem die, die im Wasser stattfinden: Schwimmen und Aquafitness. Wasser ist ohnehin ein Therapie-Element, das für Menschen mit Lipödem wichtig ist. Kneipp‘sche Güsse etwa – aber nur mit kaltem Wasser. Generell gilt bei dieser Erkrankung: keine Wärme-, sondern lieber eine Kältetherapie. Coolpacks bringen schnelle Schmerzlinderung. Dabei die Beine hochlagern.

 

Gibt es auch Mittel aus der Phytotherapie oder anderen naturheilkundlichen Verfahren?

Es gibt viele Heilpflanzen, die bei Wasser in den Beinen sehr gut helfen. Wissenschaftlich belegt ist die Wirkung der Rosskastanie. Sie reduziert Ödembildungen. Einreibungen, Salben oder auch Dragees bekommen Sie in der Apotheke. Extrakte aus Ackerschachtelhalm sollen das Bindegewebe stärken. Steinklee reduziert Wasser in den Beinen und kann Entzündungen vorbeugen. Sie können es auch mit Enzymen aus der Ananas (Bromelain) oder Papaya (Papain) versuchen. Fertigpräparate gibt es ebenfalls in der Apotheke. Pflanzliche Mittel eignen sich als begleitende Maßnahme. Therapieren Sie sich nicht auf eigene Faust. Fragen Sie vorher Ihren Arzt.

Das Gleiche gilt für Schüßler-Salze. Sehr gute Erfahrungen habe ich mit Nr. 8 (Natrium chloratum) gemacht. Es reguliert den Wasserhaushalt im Körper. Nr. 10 (Natrium sulfuricum), besser bekannt als Glaubersalz, hat eine ausscheidende Wirkung. Überschüssiges Wasser aus Gewebe und Zellen kann abfließen. Gut zu empfehlen bei Ödemen.

 

 

Lipödem oder Lymphödem

Die Erkrankungen gehören in die Hände eines Arztes.
Besprechen Sie mit ihm mögliche begleitende Therapiemaßnahmen.

Und auch wir stehen Ihnen gern individuell beratend zur Seite. Sprechen Sie uns auf das Thema an.

 

 

Naturheilkunde & Gesundheit Cover Januar 2019
Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.