Tropfen richtig dosieren

Tropfen sind nicht immer gleich. Verschiedene Tropfer-Systeme bedingen die jeweils richtige Handhabung zur exakten Dosierung.
Arzneimittel kommen in den unterschiedlichsten Formen und Farben daher. Das hat mehr als nur optische oder verkaufsfördernde Gründe, wie wir in unserem Artikel „Unterschiedliche Arzneiformen, wozu gibt es die eigentlich? Und was ist Galenik?“ beschrieben haben. Eine mögliche Darreichungsform sind Tropfen. Die werden natürlich nicht einzeln abgepackt, sondern die Flüssigkeit wird in einer Flasche mit Dosierhilfe angeboten. Neben der klassischen Pipette gibt es die sogenannten Tropfer: das sind Plastikverschlüsse, welche die Flüssigkeit (das perorale Arzneimittel) eben nur tropfenweise freigeben und so also ein Präparat z.B. auch für Kinder angepasst werden kann.

 

ABER: Tropfen ist nicht gleich Tropfen

In den Packungsbeilagen (die wirklich immer gelesen werden sollten) findet man bei der Dosierungsangabe zumeist die Anzahl an Tropfen. Dabei wird aber eine wichtige Kleinigkeit vergessen: Es gibt zwei verschiedene Tropfer-Systeme, „Zentraltropfer“ und „Randtropfer“, die leicht unterschiedlich gehandhabt werden müssen. Bei falscher Haltung kann die empfohlene Dosierung gar um bis zu 25% abweichen. Die resultierende Fehldosierung ist z.B. bei starken Analgetika wie Tramadol oder Neuroleptika wie Haloperidol durchaus kritisch.

 

Zentraltropfer vs. Randtropfer

Den Zentraltropfer erkennt man an dem mittig angeordneten Flüssigkeitsaustrittsröhrchen (vgl. Titelbild).
Genau dies fehlt beim Randtropfer, er hat nur eine Öffnung, aus der die Lösung rausläuft und am Rand abfällt.
Den Zentraltropfer (mit Röhrchen) muss man zur korrekten Dosierung senkrecht halten.
Den Randtropfer (ohne Röhrchen) muss man dagegen schräg halten.

Schauen Sie sich die Tropfflasche vor der ersten Verwendung diesbezüglich einmal genau an. Und achten Sie im Beipackzettel auf Formulierungen wie „senkrecht halten“ oder „schräg halten“, die können ernster gemeint sein, als man es zunächst vermutet. In einigen neueren Beipackzetteln ist symbolisch dargestellt, wie der Tropfer gehalten werden sollte.

 

Fehlhaltung kann Tropfenmasse verringern

Insbesondere durch eine falsche Schrägstellung eines eigentlichen Zentraltropfers beim Abtropfen verringert sich die Tropfenmasse wodurch das Arzneimittel unterdosiert wird. Wird der Zentraltropfer um 45 Grad geneigt, verringert sich die Tropfenmasse um bis zu 25%. Das ist viel.

Die Erklärung findet sich in der Physik, speziell in einer Formel nach Tate, diese „verknüpft die Tropfenmasse mit der projizierten Abtropffläche, also derjenigen, die man bei Betrachtung von unten auf den fallenden Tropfen sieht. Bei einer Schrägstellung verringert sich diese Fläche vom Kreis zur Ellipse, und in der Folge verringert sich die Tropfenmasse.“

Zudem verringert die Schrägstellung auch die Tropfgeschwindigkeit, was manchem Nutzer das Zählen einfacher macht und weswegen diese Haltung oftmals intuitiv gewählt wird. 9 von 10 Patienten dosieren schräg! Wer ahnt denn auch nur, dass das so einen Unterschied ausmachen kann. Auch für die Verringerung der Tropfgeschwindigkeit findet sich der Grund übrigens in der Physik: Sie wird bedingt durch den hydrostatischen Druck, sprich die Höhe der Flüssigkeitssäule, aus der sich die Masse der Flüssigkeit ergibt, die durch die Schwerkraft auf den Tropfer drückt.
Dies ist u.a. auch der gewollte Effekt bei Randtropfern, insbesondere bei sehr dünnflüssige Substanzen.

Wenn die meisten schräg halten, warum gibt es dann überhaupt Zentraltropfer?

Zentraltropfer dosieren exakter als Randtropfer. Die Tropfenmasse ist durch den Röhrchendurchmesser recht genau berechenbar und die Aufforderung „senkrecht“ ist dabei eindeutig. Dagegen bedeutet „schräg“ nicht unbedingt 45 Grad, sondern kann sich irgendwo zwischen 0 und 90 Grad befinden und jede unterschiedliche Schrägstellung bewirkt gemäß der o.g. Formel eine leicht andere Tropfenmasse. Ölige Tropfen oder auch Suspensionen lassen sich hier jedoch unter Umständen nicht oder nur sehr schwer durchtropfen. Die Beschaffenheit der Flüssigkeit ist also auch für die Auswahl der Tropfermontur seitens des Abfüllers verantwortlich.

 

Wenn die Tropfen nicht Antropfen wollen …

Noch einen Tipp zum Schluss: Wenn der erste Tropfen einfach nicht lostropfen will, ist wahrscheinlich Flüssigkeit in das Belüftungsröhrchen gekommen und verhindert durch Ihre Oberflächenspannung den Luftdurchfluss. Dann ist es wieder die Physik (Druckausgleich), die das Antropfen erschwert. Abhilfe (Vorsicht: Spritzer sind möglich) schafft ein leichter Klapps auf den Flaschenboden mit dem Zeigefinger (die Flasche dabei zwischen Daumen und Mittelfinger halten) oder ein Puster (bitte nur im Notfall anwenden, da Kontaminationsgefahr durch Keime aus dem Mundbereich besteht) in die Tropfermontur.

 

Wenn Sie also das nächste Mal Tropfen verordnet bekommen, schauen Sie insbesondere bei dosierungskritischen Medikamenten genau auf den Tropfer. Wenn Sie unsicher sind oder in der Packungsbeilage einfach keinen Hinweis auf die richtige Handhabung finden, helfen wir Ihnen auch gern weiter.

 

Quelle: Tropfen richtig tropfen, DAZ.online 18.01.2018 mit eigenen Ergänzungen