Unterschiedliche Arzneiformen, wozu gibt es die eigentlich? Und was ist Galenik?

Mal verschreibt einem der Arzt eine Tablette, dann eine Salbe, ein Spray, ein Dragee, eine Kapsel oder was es sonst noch alles für lustige Formen gibt. Okay, es erscheint noch sinnvoll, dass Nasenspray direkt in die Nase kommt. Bei anderen Arznei- und Darreichungsformen braucht der Nichtmediziner schon einige Phantasie oder aber eine gute Beratung von Arzt und Apotheker.

 

Ein Medikament besteht aus mehr als nur dem Wirkstoff

Der Wirkstoff muss in eine chemisch, physikalisch und biologisch stabile Form gebracht werden, die genau dosiert werden kann und lagerfähig ist. Dann gilt es zu gewährleisten, dass die Substanz vom Körper aufgenommen werden kann und natürlich auch, dass sie an den Wirkungsort im Körper gelangt, um dort die gewünschte therapeutische Wirkung zu entfalten. Nebenbei gilt es noch Faktoren wie Schnelligkeit und Ausmaß zu berücksichtigen.

Die Wissenschaft, die hinter der Verarbeitung des Wirkstoffs hin zum wirkungsvollen Medikament steckt, wird übrigens Galenik genannt (der Begriff geht zurück auf den im 2. Jahrhundert geborenen griechischen Gladiatoren- und späteren Cesaren-Arzt und Naturforscher Galenos von Pergamon, dessen Werke über die Anatomie und Physiologie des Menschen über Jahrhunderte als richtungsweisend galten). In dieser Disziplin gibt es bemerkenswerte Fortschritte wie z.B. schnellere Wirksamkeit oder auch Wirkstofffreisetzung über einen bestimmten Zeitraum (Retardwirkung), was u.a. die Anzahl der Einzeldosen für den Patienten reduzieren kann.

 

Verabreicht (oder auch appliziert) werden Arzneistoffe entweder systemisch oder lokal.

Bei der lokalen (örtlichen) Applikation gelangt der Wirkstoff zumeist direkt und ohne Umwege an den Zielort, wie z.B. Hautcreme, Nasenspray, Augentropfen etc. Davon abzugrenzen sind die modernen transdermalen Systeme (z.B. Schmerzpflaster), die den Wirkstoff gezielt und gleichmäßig durch die Haut im ganzen System verteilen.

Die meisten Stoffe werden aber direkt systemisch appliziert, in diesen Fällen gelangt der Arzneistoff über den Blutkreislauf an den Wirkungsort, die Darreichungsformen sind vielfältig, z.B. recht direkt per Injektion oder peroral (durch den Mund).

Man kann sich vorstellen, dass es schwierig ist, einen Wirkstoff einmal quer durch den Körper zu schleusen, bis er an der richtigen Stelle immer die exakte Wirkung entfaltet. Oftmals werden inaktive Vorstufen verabreicht, die bei ihrem Weg durch Magen, Darm, Leber, Blutkreislauf etc. an der exakt gewollten Stelle durch andere dort vorhandene Stoffe aktiviert werden und wirken können. Es ist eine Wissenschaft für sich und man ist überrascht, welche Wege der eine oder andere Wirkstoff durch den Körper bis zum Zielort beschreiten muss.

 

Wir skizzieren als Übersicht einige Zubereitungsformen

 

Feste Zubereitungen

Den größten Anteil machen feste, perorale, einzeldosierbare Formen wie Tabletten, Dragees und Kapseln aus, die verhältnismäßig einfach einnehmbar sind.

  • Pulver und Granulate (Zusammenlagerung feinerer Pulverpartikel) sind Zubereitungen aus trockenen, losen, mehr oder weniger feinen Teilchen. Sie sind manchmal auch nur Zwischenprodukt zur Arzneiformen wie Tabletten oder Kapseln. Sie werden z.B. direkt eingenommen, in Flüssigkeiten angerührt oder auch aufgelöst.
  • Tabletten sind gepresste Feststoffzubereitungen. Dabei gibt es vielfältige Formen, wie z.B. Mehrschicht-, Mantel- (ein Granulat wird trocken auf einen Kern gepresst) und überzogene Tabletten. Übrigens liegt die Unterscheidung von Dragees und Filmtabletten in der Dickte und im Material des Überzugs. Zudem können Überzüge farbig gestaltet werden, um. Z.B. die Unterscheidbarkeit zu erleichtern. Desweiteren ermöglichen sie oftmals die Magensaftresistenz, so dass der Wirkstoff nicht bei der Passage durch den sauren Magen seine Wirkung verliert. Sie dürfen in diesem Fall übrigens nicht geteilt werden, da an der Schnittkante eben diese Schutzfunktion nicht mehr gegeben wäre.
  • Eine weitere feste Arzneiform sind Kapseln, zumeist mit einer Hülle aus Gelatine oder pflanzlicher Hydroxpropylmethylcellulose. Im Inneren können feste wie auch flüssige Substanzen verwendet werden. Unterschieden werden Hart- und Weichgelatinekapseln. Die Harte Form besteht aus zwei ineinandersteckbaren Hälften (ohne Weichmacher) und wird aufgrund der verhältnismäßig einfachen Handhabung gern für Rezepturanfertigungen in der Apotheke verwendet. Die weichen können nur maschinell gefertigt werden.

 

Halbfeste Zubereitungen

Bei dieser Form wird der Wirkstoff in eine halbfeste, also plastisch verformbare Grundlage eingebettet, die auf Haut oder Schleimhaut aufgetragen wird. Die lokale Applikation reduziert die systemischen Nebenwirkungen (vgl. auch oben). Die verwendete Grundlage hat durchaus Einfluss auf die Gesamtwirkung, so kann sie die Aufnahme des Wirkstoffs begünstigen oder z.B. kühlend wirken. Es gibt sogar wirkstofffreie Zubereitungen, bei denen nur der Grundlageneffekt die Wirkung darstellt.

Unterschieden werden zudem lipophile (können kaum Wasser aufnehmen) und hydrophile (können aktiv Wasser binden) Grundlagen.

  • Salben sind zumeist einphasige Systeme mit einheitlicher Grundlage.
  • Cremes dagegen sind meist mehrphasig. Die Stabilität von lipophiler und wässriger Phase wird durch Zugabe eines sog. Emulgators ermöglicht.
  • Gele sind meist einphasig und können hydrophil oder hydrophob sein. Hydrogele bestehen aus einer wässrigen Wirkstofflösung, die verfestigt wurde, um z.B. eine kühlende Wirkung mitbringen.
  • Auch Zäpfchen (Suppositorien) gehören in diese Kategorie, sind aber die wohl festeste ihrer Formen. Sie schmelzen bei Körpertemperatur.

 

Flüssige Zubereitungen

Für sie sind die meisten Einnahmemöglichkeiten denkbar: oral, äußerlich oder per Injektion/Infusion. Sie werden i.d.R. schnell aufgenommen, problematisch sind jedoch individuelle Instabilitäten sowie Dosierungsschwierigkeiten.

  • Tropfen und Säfte werden anhand der Konzentration unterschieden, wobei Tropfen die deutlich höher konzentrierten sind. Hier reichen bereits kleine Mengen (Tropfen). PS: Lesen Sie auch „Tropfen richtig dosieren„.
  • Lösungen, Suspensionen und Emulsionen unterscheiden sich wie folgt: Lösungen sind einphasig, eine ehemals feste Phase geht dabei in Lösung. Bei zweiphasigen Emulsionen ist ein flüssiger Stoff (disperse Phase) in einem ebenfalls flüssigen Dispersionsmittel feinst verteilt, wie bei Cremes ist die Zugabe eines Emulgators notwendig, um die Stabilität der Phasenvermischung zu sichern. Bei Suspensionen entmischt sich die feste Phase während der Lagerung mit dem flüssigen Dispersionsmittel, deshalb müssen sie vor Gebrauch geschüttelt werden

 

Pflanzliche Zubereitungen

Zubereitungen aus Heilpflanzen (Phytopharmaka) zählen zu den ältesten Arzneiformen, z.B. ein Tee. Oft werden Extrakte verwendet. Zu beachten ist das Drogen-Extrakt-Verhältnis, also welche Ausgangsmenge für die Gewinnung einer bestimmten Extraktmenge eingesetzt wurde. Pflanzen sind nie gleich und auch die Herstellungsverfahren unterscheiden sich, somit können Pflanzenpräparate leichte Unterschiede aufweisen, insbesondere bei Präparaten vom Markt oder aus der Drogerie.

Bei apothekenpflichtigen pflanzlichen Arzneimitteln dagegen müssen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährleistet sein. Somit können hier Unterschiede zwischen verschiedenen Chargen vernachlässigt werden.

 

Technisches Wirkungsprinzip ist am Kürzel im Namen erkennbar

Moderne Arzneiforman erhalten im Namen einen Zusatz, der auf den von der Galenik angestrebten Wirkungsmechanismus hinweist. Hier die wichtigsten bei oralen Arzneiformen:

  • Duriles: Der Wirkstoff kommt in einer Gerüstmatrix mit Poren, im Magen-Darm-Trakt dringt hier Wasser ein und der Wirkstoff diffundiert langsam heraus. Die Matrix bleibt bestehen und wird ausgeschieden.
  • Fast Acting Sublingual Technology (FAST): Die Tabletten zerfallen sehr schnell im Mund, der Wirkstoff über die Mundschleimhaut aufgenommen
  • Multiple Unit Pellet System (MUPS): Die Tablette zerfällt im Magen in kleine Pellets mit magensaftresistentem Überzug, die ob ihrer Kleinheit schnell am Magenpförtner vorbei in den Dünndarm gelangen können, wo sie dann den Wirkstoff freisetzen.
  • Oral Controlled Absorption System (OCAS): Der Wirkstoff ist in eine Gelmatrix eingebetter, die im Magen Wasser aufnimmt und den Wirkstoff dan über 24 Stunden im Darm abgibt.
  • Osmotic Release Oral System (OROS): Um die Tablette herum ist eine Membran, in die nach Einnahme Wasser eindringt und den Kern aufquillen lässt. Durch den entstehenden (osmotischen) Druck wird der Wirkstoff über bis zu 10 Stunden abgegeben. Die Hülle wird unverändert ausgeschieden.
  • Resinat: Ein an einen Träger gebundener Wirkstoff wird im sauren Magenmilieu im Austausch gegen H+-Ionen freigesetzt
  • Schnell langsam (SL): In der Hülle ist ein schnell, im Tablettenkern ein langsam freisetzbarer Wirkstoff
  • Zero Order Kinetik (ZOK aber auch Z, Zero oder ZOT): In die Pellets in der Tablette kann Wasser eindringen, so dass eine gesättigte Lösung entsteht, die den Wirkstoff mit konstanter Menge über eine bestimmte Zeit abgibt.
  • Etc.

 

 

Man darf gespannt sein, welche Formen und Wirkungsketten die Galenik in der Zukunft hervorbringt, um noch gezielter am gewünschten Ort die therapeutisch notwendige Wirkung zu entfalten.

Auch wir bedienen uns immer wieder der Transportfunktion von Mitteln, die u.a. den eigentlichen Wirkstoff z.B. besser durch die Zellwände an den Wirkungsort führen. Ein Beispiel ist die Schlepperfunktion von DMSO (DiMethylSulfOxid) oder sog. Colaminphosphaten (EAP-Salze), die Mineralien sehr gut resorbierbar und zusätzlich membranständig (Zellhülle) in den Körper bringen.

Wenn Sie Fragen z.B. zur Wirkweise Ihrer Medikamente, deren Einnahme oder zu Kürzeln auf der Verpackung haben, sprechen Sie uns gerne an.

Quelle: DAS PTA MAGAZIN, Ausgabe 08-2014, S. 22 ff.