Gut beraten bei Polymedikation
Mit der Anzahl der Medikamente steigt auch die Menge möglicher Neben- und Wechselwirkungen. Wer dauerhaft auf mehrere Arzneimittel angewiesen ist, kann deshalb von einer besonderen pharmazeutischen Dienstleistung in der Apotheke vor Ort profitieren – für eine bessere Gesundheit und mehr Lebensqualität.
Dr. Christian Ude, Apotheker und Präsident der Landesapothekerkammer Hessen.
Fünf und mehr
Ob „die Pille“ zur Verhütung oder die Tablette gegen zu viel Cholesterin im Blut, ob Schmerzmittel oder Blutdrucksenker: Moderne Medikamente sind ein Segen. Sie sind hochwirksam – können aber neben der erwünschten Wirkung auch Neben- und Wechselwirkungen haben. „Bei fünf und mehr ärztlich verordneten, systemisch wirksamen Arzneimitteln, die dauerhaft eingenommen werden, sprechen wir von Polymedikation“, sagt der Apotheker. Systemisch bedeutet: Die Wirkstoffe werden geschluckt, inhaliert oder via Pflaster verabreicht. Betroffene Patienten können sich alle zwölf Monate in ihrer Apotheke vor Ort beraten lassen – oder immer dann, wenn die Medikation sich erheblich ändert, also drei neue Präparate hinzukommen oder ausgetauscht werden.
Bitte alles mitbringen!
Die Dienstleistung findet an zwei Terminen statt. Zum ersten Gespräch bringen Sie alle verordneten Medikamente und, falls vorhanden, Ihren Medikationsplan mit. Dies ist jedoch noch nicht alles! „Seien Sie hemmungslos!“, rät er. „Nehmen Sie keine Rücksicht darauf, ob Sie die Vitaminpillen in der Apotheke, die Brausetabletten oder auch Nahrungsergänzungsmittel aus anderen Quellen bezogen haben. Nur wenn wir genau wissen, was Sie alles einnehmen, können wir umfassend beraten.“ Dass Mittel freiverkäuflich sind, heißt nämlich nicht, dass sie keine Nebenwirkungen haben oder dass mit den verordneten Medikamenten nicht auch Wechselwirkungen einhergehen können.
Alles im Blick
Der beratende Apotheker oder die Apothekerin erfasst dann alle Arzneimittel beispielsweise mithilfe eines Computerprogramms und erkundigt sich, wie diese vertragen werden und ob unerwünschte Wirkungen bekannt sind. „Wir interessieren uns außerdem für Ernährungsgewohnheiten, etwa ob jemand Diät hält, Vegetarier oder Veganer ist“, erläutert Ude. „Denn was wir essen und in welchem Abstand zur Medikamenteneinnahme wir bestimmte Lebensmittel zu uns nehmen, kann großen Einfluss auf Wirkung und Nebenwirkung haben.“ Typisches Beispiel: Laut Studien beeinflussen Milch und Milchprodukte Schilddrüsenhormone oder Bisphosphonate gegen Osteoporose – sie mindern deren Wirksamkeit und sollten deshalb nur zeitversetzt zur Einnahme verzehrt werden.
Den Medikationsplan optimieren
Beim zweiten Termin wird die Analyse der erstellten Liste besprochen. „Manchmal helfen schon Kleinigkeiten, das Behandlungsergebnis zu verbessern – etwa ein anderer Einnahmezeitpunkt. Manchmal müsste nur eines der Medikamente ausgetauscht werden. Und manchmal gibt es dringenden Handlungsbedarf. Das kann zum Beispiel dann passieren, wenn mehrere Ärzte etwas verordnen, ohne die gesamte Medikation zu kennen – und sich diese Arzneimittel nicht gut vertragen“, sagt der Experte.
Gemeinsam zum Ziel
Hat sich herausgestellt, dass die Medikation optimiert werden kann, sprechen die Apotheker darüber direkt mit der Ärztin oder dem Arzt – natürlich nur dann, wenn Patienten damit einverstanden sind. In jedem Fall gibt es in der Apotheke noch Tipps zur optimalen Einnahme und zum Abschluss einen aktualisierten Medikationsplan. „Die pharmazeutische Dienstleistung zur Polymedikation dient nicht dazu, Ärztinnen und Ärzte zu kontrollieren. Aber gemeinsam erreichen wir einfach besser, dass es Patienten mit ihren Medikamenten gut geht“, betont der Apotheker. Und er rät: „Nutzen Sie die Chance, die dieses Dienstleistungsangebot für Ihre Gesundheit bietet!“
Ausgewählte pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) bieten viele Vor-Ort-Apotheken ihren Kunden an. Ihr Ziel ist es, die Versorgung von Menschen mit gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch weiter zu verbessern und vorerkrankten Patienten eine sichere und wirksame Arzneimitteltherapie zu gewährleisten. Anspruchsberechtigte müssen nichts dafür bezahlen.
Am besten erkundigen Sie sich gleich in Ihrer Stammapotheke danach! Bei Fragen helfen wir Ihnen natürlich gern weiter und beraten Sie.
