Paracetamol in der Schwangerschaft nur kurzfristig einnehmen

Immer wieder ein Thema. Deswegen möchten wir Ihnen diesen Artikel näherbringen:

Die längere Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft kann Entwicklungsverzögerungen des Neugeborenen im Kindesalter zur Folge haben. Hinweise auf einen potenziellen Zusammenhang liefert eine norwegische Studie, deren Ergebnisse im Fachmagazin „International Journal of Epidemiology“ veröffentlicht wurden (doi: 10.1093/ije/dyt183).

Das Forscherteam um Professor Dr. Hedvig Nordeng von der Universität Oslo wertete im Rahmen seiner Untersuchung die Daten von rund 3000 Geschwisterpaaren aus. Demnach hatten Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft an mindestens 28 Tagen das Analgetikum eingenommen hatten, schlechtere grobmotorische und kommunikative Fähigkeiten als die gleichgeschlechtlichen Geschwisterkinder.

Zudem waren sie häufiger verhaltensauffällig oder hyperaktiv. Bei Kindern, deren Mütter an 1 bis 27 Tagen Paracetamol eingenommen hatten, zeigten sich ähnlich verzögerte Entwicklungs- und Verhaltensmuster; jedoch war hier der Zusammenhang schwächer ausgeprägt. Um auszuschließen, dass potenzielle Grunderkrankungen ursächlich für die Entwicklungsverzögerungen waren, zogen die Forscher Daten von Müttern heran, die während der Schwangerschaft Ibuprofen eingenommen hatten. Hier zeigten sich keine Entwicklungsauffälligkeiten.

„Diese Ergebnisse bestärken unsere Bedenken, dass sich eine längerfristige Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirken kann“, so Nordeng in einer Pressemitteilung des Norwegian Institute of Public Health. Ob die Einnahme des Medikaments tatsächlich ursächlich für die Entwicklungsverzögerungen war, sei mit dieser epidemiologischen Studie nicht zu beantworten, betonte die Pharmazeutin. Zur Klärung seien weitere Studien nötig. Paracetamol bleibe das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung von Schmerzen in der Schwangerschaft, es sollte jedoch wie andere Medikamente auch zurückhaltend eingesetzt werden.

Quelle: PZ, Ausgabe 45/2013, von Kerstin A. Gräfe

Update Okt.2021: Expertengruppe warnt Schwangere vor unbedachtem Paracetamol-Gebrauch auf Basis einer neuen Metastudie

Eine neue Metastudie (Auswertung und Zusammenfassung bestehender Studienergebnisse) rüttelt an der Rolle des beliebten und als auch in der Schwangerschaft als sicher geltenden Medikaments „Paracetamol“. Dort dient es der Schmerzlinderung und Fiebersenkung und gehört zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Arzneimitteln.

Die auswertende Expertengruppe warnt in ihrer abschließenden Erklärung vor dem unbedachten Gebrauch von Paracetamol in der Schwangerschaft.

Auch wenn der auswertenden Expertengruppe die begrenzte Aussagekraft von Metaanalysen und Literaturrecherchen sowie der Mangel an therapeutischen Alternativen bewusst ist, sehen sie trotzdem genug wissenschaftliche Beweise, um schwangere Frauen und medizinisches Personal vor der unbedachten Paracetamol-Anwendung dahingehend zu warnen, dass sich eben die Hinweise häufen, welche auf eine Beeinflussung einer pränatalen Exposition auf die Fötusentwicklung deuten.

Ihre Forderung: Es braucht mehr valide Forschung und da diese Zeit braucht, fordern sie in der Zwischenzeit die Arzneimittelbehörden FDA und EMA zur Neubewertung von Paracet­amol in der Schwangerschaft auf. Zudem raten sie schwangeren Frauen zum Verzicht auf Paracetamol, es sei denn, es ist medizinisch indiziert. Aber auch dann sollte es nur in der niedrigsten Dosis und so kurz wie möglich eingesetzt werden.

Kritische Meinung

Bei vielen Themen wäre der Artikel an dieser Stelle beendet. Da Paracetamol aber derzeit therapeutisch für besagte Fälle schulmedizinisch alternativlos ist, gibt es in der DAZ abschließend auch einen bewertenden Kommentar, der sich auf eine Gegendarstellung einer anderen Expertengruppe beruft, welche die Beweisführung als schwach und unzureichend klassifiziert und vorwirft, Ängste zu schüren.

Letztlich kommen Sie zu dem Schluss, „dass Paracetamol nach wie vor Mittel der ersten Wahl in der Schwangerschaft ist“. Dabei wird allerdings ganz nebenbei auch davon ausgegangen, dass Medikamente natürlich generell immer „nur so kurz und so niedrig dosiert wie möglich eingesetzt werden.“ (DAZ 41/2021)

„[…] but, as for any medication, should only be used when clearly indicated at the lowest dose and for the shortest possible duration.” (ENTIS)

Und nun?

Die genannte Annahme stößt dann aber letztendlich doch ins gleiche Horn wie die Forderungen der ersten Gruppe: Eine moderate Vorsicht vor unbedachtem Paracetamol-Gebrauch Schwangerer scheint angebracht zu sein.

Wir empfehlen daher insbesondere Schwangeren, Paracetamol nicht grundlos und/oder rein prophylaktisch (vorsorgend) einzunehmen. Leichte Schmerz- und Fibersymptome können Sie auch gut mit sanften Mitteln behandeln. Bei stärkeren Problemen raten wir Ihnen an, zuerst Ihren betreuenden Arzt zu konsultieren und nicht selbstdiagnostisch zu Paracetamol oder generell übrigens auch zu anderen Medikationen zu greifen.

Wenn Ihnen die Einnahme verordnet wird, brauchen Sie aber auch keine Angst davor zu haben, Ihr Arzt trifft die für Sie in Ihrer Situation bestmögliche Entscheidung.

Die medizinisch indizierte Einnahme von Paracetamol sollte dann so zu kurz und niedrig dosiert wie möglich gehalten werden. Sprechen Sie Ihren Arzt auch einfach auf diesen Wunsch an.

Natürlich stehen auch wir Ihnen für Fragen zur Seite, wir beraten Sie gern.

Quellen für Update Okt. 2021:

  • Bauer, A.Z., Swan, S.H., Kriebel, D. et al. Paracetamol use during pregnancy — a call for precautionary action. Nat Rev Endocrinol (2021). https://doi.org/10.1038/s41574-021-00553-7
  • Position statement on acetaminophen (paracetamol) in pregnancy, The European Network of Teratology Information Services (ENTIS – PDF-Dokument), 03.10.2021
  • Ist Paracetamol in der Schwangerschaft doch unsicherer als gedacht? DAZ.online / DAZ 41/2021