Morbus Google, Nocebo-Effekt und Cyberchondrie

Ich frag mal das Internet. Problem in die Suchmaske eines beliebigen Anbieters getippt und schon weiß ich, was los ist. Was bei der Frage nach dem Wochenendwetter oder der Kochdauer einer Kartoffel noch klappen mag, führt in Gesundheitsfragen oftmals zu weiteren Problemen statt zu einer Lösung, unwissenschaftlich wird von Morbus Google gesprochen (Morbus ist das lateinische Wort für Krankheit). Warum? Was kann passieren?

 

Zum Beispiel bei der Websuche nach dem eigenen, aktuell einzunehmenden Medikament, quasi zur croud-fundierten Absicherung der ärztlichen Diagnose, tauchen in Foren voll von Mitleidenden negative Berichte auf. Schon beginnt der Nocebo-Effekt. Nocebo? Das ist der böse Gegenspieler des Placebo-Effekts. Er sorgt auf ähnliche Weise für eine schlechtere Wirksamkeit, wie es Placebo im positiv verstärkenden tut. Womit die negativen Aussagen natürlich noch richtiger (aber nicht zwangsläufig richtig!) erscheinen. Ein erprobtes und eigentlich wirksames Medikament kann durch diesen Effekt aufgrund von inneren Abwehrreaktionen, ausgelöst durch die Negativberichte, tatsächlich an Wirksamkeit verlieren.

 

Im Extremfall führt die Recherche zu einer immer stärker ausgeprägten Hypochondrie. Gemäß psychiatrischen Klassifizierungssystem DSM-IV ist Hypochondrie eine „übermäßige Beschäftigung mit der Angst oder der Überzeugung, eine ernsthafte Krankheit zu haben, was auf einer Fehlinterpretation körperlicher Symptome durch die betroffene Person beruht.“ Cyberchondrie ist ein Kunstwort, das eben diesen Sachverhalt auf den Internet-Informations-Überkonsum bezieht. Aktuell rekrutieren knapp 65% Prozent der Deutschen bei Gesundheitsfragen das Internet, da ist es kein Wunder, dass Hypochondrie auf dem Vormarsch ist.

Gutes Beispiel ist die vermeidlich schädliche Strahlung von Mobilfunkgeräten. Obwohl kein Beweis für oder wider der Schädlichkeit existiert, geben viele Menschen bei Kopfschmerzen der Handystrahlung die Schuld oder vermuten sogar gleich einen Hirntumor oder aber mindestens Migräne.

Menschen ohne nachgewiesene Unverträglichkeiten kaufen glutenfrei oder lactosefrei. Warum? Aus reiner Vorsicht, da man ja so viel Böses darüber liest. Grummelt es dann noch im Bauch, ist alles klar und das Internet hatte Recht: man ist Allergiker.

Es gibt unzählige weitere Beispiele.

 

Unrichtige Informationen als Basis

Die Tatsache, dass das Angebot an betreffenden Informationen, Foren, selbsternannten Gurus etc. täglich wächst und man nach einer positiven Information zum gleichen Thema fünf negative Schlagzeilen liest, macht es nicht leichter oder besser. Vereinzelte Redaktionen geben auch nur Pressetexte wieder, wobei Fachwissen oder auch nur eine intensive Recherche auf der Strecke bleiben und so z.B. ein Wirkstoff niedergemacht wird, dem kurz zuvor im gleichen Medium noch eine Empfehlung ausgesprochen wurde. Wirklich valide, fundierte Informationen sind schwer bis gar nicht von schlichten Meinungsäußerungen zu unterscheiden. Gefährliches Halbwissen macht sich breit und stellt eine oftmals falsche Basis für Selbstdiagnosen.

Hinzu kommt das Phänomen, dass Menschen eher negative Erfahrungen im Internet veröffentlichen, um Frust abzubauen. Positive Erfahrungen werden zwar gern angenommen, die Arbeit, darüber einen Bericht zu schreiben, machen sich aber die wenigsten.

 

Informieren ist gut, Übertreiben nicht.

Wir sagen nicht, dass es schlecht ist, auf sich zu achten und Symptome, vielmehr Auffälligkeiten, zu registrieren und kritisch zu hinterfragen. Ganz im Gegenteil! Auch ist es immer gut zu wissen, was der Therapeut einem verschrieben hat und was es bewirkt. Das gezielt in der Fachliteratur oder beim Hersteller nachzulesen, ist nicht verkehrt.

Aber ein Arzt und auch ein Apotheker haben eine fundierte Ausbildung inklusive mehrjährigem Studiengang und zudem oftmals noch einige Jahre an Erfahrungswerten, darauf kann man i.d.R. vertrauen. Man kann in schwerwiegenderen Fällen auch gern eine zweite Meinung einholen. Aber verzichten Sie auf Selbstdiagnosen und verzichten Sie auf selbstverordnete „Therapiekonzepte“ auf Basis einer wohlmöglich falschen Diagnose, das kann im Extremfall tödlich enden oder Ihnen zumindest Stress verursachen und Ihre Lebensqualität signifikant senken.

Wenn Ihnen etwas auffällt, dann fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, dieser Spruch wird nicht umsonst auf jedes Medikament gedruckt, denn genau das ist die richtige Verfahrensweise.

 

Wir sind für Sie da! Kompetent, vertraulich und individuell. Sprechen Sie uns sehr gern an.
Und: Bewusst surfen!

 

 

Quellen:
- Die Macht des Glaubens, PTA-Forum 18, PZ 48, 2014, S. 15 ff.
und http://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=5669 - Morbus Google, zm-online.de
(http://www.zm-online.de/starter/brennpunkt/Morbus-Google_178814.html) - Eigene Ausführungen