Essen ohne alles

Sind „frei-von“-Lebensmittel, also frei von Gluten, Laktose & Co. gesünder?

Lebensmittel ohne bestimmte Inhaltsstoffe füllen meterweise Supermarktregale. Sie sind jedoch recht teuer, nur für wenige Menschen wirklich sinnvoll und können Gesunden sogar Nachteile bringen.

Ernährungsberaterin Josephine Danneberg vom Medicum Hamburg empfiehlt eine fundierte ärztlich Diagnose beim Verdacht einer Unverträglichkeit und sorgt für Durchblick.

Bei all den „frei von“-Angeboten wächst der Eindruck, es sei gesünder, auf bestimmte Inhaltsstoffe zu verzichten. Dies ist jedoch keineswegs der Fall! Die Expertin aus dem Team von Ernährungs-Doc Matthias Riedl sagt klar: „Gluten-, laktose- und andere ‚freie‘ Nahrungsmittel können für Menschen sinnvoll sein, die eine Unverträglichkeit, eine Allergie oder eine Empfindlichkeit gegenüber diesen Inhaltsstoffen haben.“ Das bedeutet im Umkehrschluss für alle anderen: Sie zu essen, ist nicht sinnvoll.

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Gluten und Laktose

Die zwei Inhaltsstoffe, die am häufigsten in Produkten fehlen, sind das Klebereiweiß aus Getreide und Milchzucker.

Die Expertin erklärt: „Gluten ist ein Protein in Weizen, Dinkel, Gerste und Roggen. Menschen mit der Autoimmunerkrankung Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit können mit schwerwiegenden Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen reagieren, wenn sie Gluten essen.“ Für sie ist es notwendig, glutenfrei zu leben. „Bevorzugt werden sollten dabei Lebensmittel, die von Natur aus glutenfrei sind.“

Laktose ist ein Zucker, der in Milchprodukten vorkommt. Menschen mit Laktoseintoleranz haben einen Mangel am Enzym Laktase, das den Milchzucker verdaulich macht. Das kann zu Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall führen, wenn Milchprodukte gegessen werden. „Für diese Menschen kann es sinnvoll sein, laktosefreie Lebensmittel zu verzehren“, so Josephine Danneberg. Darüber hinaus gibt es andere Lebensmittelunverträglichkeiten und Allergien, beispielsweise gegen Nüsse oder Eier, bei denen es ebenfalls notwendig ist, bestimmte Nahrungsmittel mit diesen Zutaten zu meiden.

Erst kommt die Diagnose!

Eine fundierte Diagnostik von Allergien und Intoleranzen erfordert eine professionelle medizinische Bewertung durch Fachleute aus Allergologie, Gastroenterologie oder Ernährungsmedizin. Empfehlenswerte Methoden sind:

H2-Atemtest: Der Wasserstoff-Atemtest kann verschiedene Erkrankungen im Darm, etwa Laktose-, Fruktose- oder Sorbit-Unverträglichkeit nachweisen.

Hauttests: Allergietests wie der Prick-Test können allergische Reaktionen auf bestimmte Substanzen, auch Nahrungsmittelallergene, feststellen.

Blutuntersuchungen: Im Blut können allergenspezifische Antikörper bestimmt werden, die bei allergischen Reaktionen typischerweise erhöht sind. Für die Allergiediagnostik sind vor allem Immunglobulin-E-Antikörper (IgE) relevant – teure IgG-Antikörpertests sind dagegen nicht aussagekräftig!

Provokationstests: Unter kontrollierten Bedingungen werden kleine Mengen des verdächtigen Allergens konsumiert, um eine allergische Reaktion zu provozieren und damit die Allergie nachzuweisen.

Eliminationsdiät: Auf potenziell allergene oder unverträgliche Nahrungsmittel wird für eine bestimmte Zeit verzichtet. Bessern sich die Symptome währenddessen, deutet dies auf eine mögliche Allergie oder Intoleranz hin.

Einseitig und voller Zusatzstoffe

„Frei-von“-Lebensmittel sind speziell für Menschen mit Allergien oder Unverträglichkeiten entwickelt. Wer keine solchen Einschränkungen hat und trotzdem auf die reduzierten Produkte zurückgreift, kann sich selbst mehr schaden als nutzen. Beispielsweise sind glutenhaltige Getreidesorten eine wichtige Nährstoffquelle für B-Vitamine. „Wer generell Getreidesorten wie Dinkel und Roggen meidet, ernährt sich möglicherweise einseitig und riskiert Nährstoffmängel“, so Josephine Danneberg.

Zudem sind viele „frei-von“-Lebensmittel auf dem Markt stark verarbeitet. Zusatzstoffe sollen den gewohnten Geschmack und die Konsistenz erhalten. „Der übermäßige Konsum solcher Lebensmittel kann negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben“, gibt die Ernährungsberaterin zu bedenken. „Zum Beispiel ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Herzerkrankungen und andere Erkrankungen, die im Zusammenhang mit einer ungesunden Ernährung bekannt sind.“

Falscher Eindruck

Das Anpreisen von Lebensmitteln ohne bestimmte Inhaltsstoffe verzerrt aus Sicht der Expertin die Wahrnehmung zur Einstufung gesunder Lebensmittel: „Durch das bewusste Weglassen in ‚frei-von‘-Lebensmitteln kann durchaus suggeriert werden, diese Inhaltsstoffe seien generell gesundheitsschädlich.“

Vorteil für Ahnungslose

Manche Menschen wissen (noch) gar nicht, dass sie eine Allergie oder Unverträglichkeit haben. Für sie bedeuten gluten- oder laktosefreie Produkte eine Chance, potenzielle gesundheitliche Risiken zu minimieren. Dies ist aber ein äußerst pauschaler Vorteil. Daher rät auch Josephine Danneberg: „Wenn der Verdacht einer Unverträglichkeit besteht, sollte man diesen immer zunächst ärztlicherseits abklären, bevor man ‚frei-von‘ Lebensmittel konsumiert.“ Einen gewissen allgemeinen Vorteil sieht die Ernährungsberaterin dennoch. „Frei-von“-Lebensmittel können das Bewusstsein für die Inhaltsstoffe in Lebensmitteln schärfen. Im besten Fall setzt man sich intensiv mit den Produkten auseinander und trifft eine bewusstere Auswahl. „Dies kann zu einer insgesamt gesünderen Ernährung führen, wenn mehr Menschen dazu ermutigt werden, frische und unverarbeitete Lebensmittel zu bevorzugen.“ Eines bleibt aber zu betonen: „Frei-von“-Lebensmittel sind nicht automatisch gesünder!

Lieber darauf verzichten

Statt sich im Spezialsortiment zu verlieren und blindlings auf Gluten und Co. zu verzichten, sollte man andere Inhaltsstoffe nicht aus dem Blick verlieren – solche, die zwar kein Allergenpotenzial besitzen, aber dennoch ungünstig für die Gesundheit sind. „Es ist generell sinnvoll, den Konsum von Zucker, Transfetten und Weißmehl zu reduzieren, unabhängig davon, ob man Allergien oder Unverträglichkeiten hat“, sagt die Expertin. Auf diese Zutaten muss niemand komplett verzichten, aber in übermäßigen Mengen haben sie negative Effekte. Also gilt: Möglichst wenig davon essen.

Was sind Transfette?

So nennt man ungesättigte Fettsäuren mit einer bestimmten Struktur. Sie entstehen bei der industriellen Härtung von ursprünglich flüssigen Pflanzenölen, außerdem wenn eigentlich gesunde Öle stark erhitzt werden. Der Verzehr von Transfetten kann die Cholesterinwerte negativ verändern und Fettablagerungen in den Blutgefäßen fördern (Arteriosklerose). Sie gelten als Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall. Produkte mit einem hohen Transfett-Gehalt sind Fertiggerichte, Fast Food und Frittiertes wie Pommes, Pizza und Chickenwings, aber auch Gebäck wie Berliner, Croissants und Cracker, sowie Chips und andere frittierte Kartoffelprodukte.

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NuG Cover 8/23
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