Müllkippe Meer – Mikroplastik

Gigantische Mengen an Mikroplastik schwimmen in unseren Ozeanen und gefährden das Leben unter Wasser. Welche Auswirkungen hat die Vermüllung der Meere auf Fische und andere maritime Bewohner?

„Mikroplastik gibt es überall im Meer. Fische sind an der Küste genauso damit belastet wie im offenen Ozean.“, berichtet die Meeresbiologin Carolin Müller.

1,5 Millionen Tonnen! Diese unvorstellbare Masse an Mikroplastik gelangt laut Weltnaturschutzunion jährlich in unsere Ozeane. Kaum ein Gewässer bleibt davon verschont – kleinste Kunststoff-Teilchen sind im Wattenmeer genauso zu finden wie auf dem Grund der Tiefsee, an tropischen Korallenriffen ebenso wie in der Arktis. Es ist unmöglich, die winzigen Polymere aus dem Meer zu bergen. Und so besteht rund um den Globus die Gefahr, dass aquatische Lebewesen sie aufnehmen – und Mikroplastik so letztlich auch auf unserem Teller landet.

Mikroplastik – Fiese Winzlinge

Feste, nicht abbaubare Plastikteilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind, werden als Mikroplastik bezeichnet. Es entsteht aus größeren Plastikabfällen wie Reifen, Verpackungsmaterial und synthetischer Kleidung, die sich durch Reibung, Salz, Bakterien und UV-Strahlen schrittweise zersetzen. Außerdem wird Mikroplastik absichtlich industriell produziert, als Granulat zur Herstellung von Kunststoff-Artikeln oder zur Anwendung in Kosmetik, Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln.

Verseuchte Fische

Welche Ausmaße die Kunststoff-Kontamination von Fischen, Muscheln, Korallen und Co. tatsächlich hat, lässt sich bislang kaum abschätzen. „Von den ungefähr 35.000 Fischarten in den weltweiten Meeren wurden bis heute nur rund 500 in Hinblick auf ihre Belastung mit Mikroplastik untersucht“, sagt Carolin Müller, Postdoktorandin für Fischereibiologie am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen. Ergebnis: Bei etwa jedem dritten inspizierten Fisch fanden die Forschenden Kunststoff im Körper. „Im Durchschnitt hatte jedes Tier, egal ob Fleisch-, Pflanzen- oder Allesfresser, zwei Teilchen aufgenommen“, so die Meeresbiologin.

Frutti di Plastik

Nicht nur in Fisch, sondern auch in anderen Meereslebewesen wie Garnelen und Muscheln lassen sich Rückstände von Kunststoffen nachweisen. So wurde beispielsweise bei einer stichprobenartigen Untersuchung im Auftrag von Greenpeace in sechs von zehn Austern und in acht von 20 Miesmuscheln vom Hamburger Fischmarkt Mikroplastik entdeckt. In einer von Greenpeace Türkei veröffentlichten Studie stießen die Wissenschaftler sogar in über 90 Prozent der untersuchten Muscheln auf Kunststoff-Partikel. Welche Folgen die Mikroplastik-Belastung für die Bewohner der Ozeane haben kann, hängt maßgeblich von Menge, Form und Art der Polymere ab. „Unsere Experimente haben einerseits gezeigt, dass geringe Mengen Plastik den Magen-Darm-Trakt der Fische durchlaufen und problemlos wieder ausgeschieden werden können, ohne dem Organismus Schaden zuzufügen“, erläutert die Bremer Meeresbiologin. Andererseits können gefressene Kunststoff-Teilchen den Magen-Darm-Trakt blockieren und somit die Nahrungsaufnahme stark beeinträchtigen. Der Fisch kann womöglich nicht mehr richtig fressen und verhungert.

Giftiger Cocktail

„Neben den reinen mechanischen Auswirkungen gibt es bestimmte Kombinationen von Plastik und Weichmachern oder Flammschutzmitteln, die besonders toxisch wirken, da sie den Hormonhaushalt der Tiere beeinträchtigen können“, erklärt Carolin Müller. „Daraus können Entwicklungs-, Wachstums- und Fortpflanzungsstörungen resultieren.“ Je kleiner die Partikel, desto größer können die negativen Auswirkungen sein: „Bekannt ist, dass winzige Polymer-Partikel über die Blutbahn in Organe wie Herz und Nieren der Tiere gelangen und hier Entzündungsreaktionen hervorrufen können“, sagt die Expertin.

Die Müllflut stoppen

Die fortschreitende Vermüllung der Meere aufzuhalten, fordern Umweltschutzorganisationen schon lange mit Nachdruck. „Wir alle müssen unser Konsumverhalten verändern und noch intensiver über Alternativen zu vermeidbarem Einwegplastik nachdenken“, bekräftigt auch Carolin Müller. „Wir brauchen kein Mikroplastik, weder im Lidschatten noch im Weichspüler.“

Clevere Individualisten

Manche Fischarten sind offensichtlich in der Lage, zwischen Fressbarem und Ungenießbarem, wie Kunststoff-Partikeln, zu unterscheiden. „Wir konnten beobachten, dass einige Geißbrassen Mikroplastik zwar aufnehmen, es dann aber wieder ausspucken“, erläutert Carolin Müller. Erstaunlich: Auch Fische derselben Art scheinen individuell unterschiedliche Geschmacksvorlieben zu haben. „Geißbrassen sind zwar Allesfresser, es gibt aber auch Exemplare, die eben nicht alles vertilgen, sondern nur bestimmte Beuteorganismen ganz gezielt aufnehmen.“ Diese Individualität der Fische würde in der Wissenschaft bislang zu wenig berücksichtigt, bedauert die Expertin und sagt: „Wir müssen mehr forschen, um herauszufinden, warum manche maritime Lebewesen Schädliches wie Mikroplastik aufnehmen, während andere es verschmähen.“

Feines Filet

Mikroplastik befindet sich hauptsächlich im Verdauungstrakt von Fischen. Und das heißt: Wer einen ganzen Meeresbewohner verspeist, hat ein höheres Risiko, Kunststoff-Teilchen zu verzehren, als jemand, der sich für ein Fischfilet entscheidet. „Zwar ist die Mikroplastik-Menge, die wir durch den Verzehr von Fisch und anderen Meerestieren aufnehmen, sehr gering, doch wissen wir noch nicht genug, um beurteilen zu können, was der Kunststoff mit uns macht“, so Carolin Müller. Es sei jedoch davon auszugehen, dass wir über die Atemluft oder durch die Art der Nahrungszubereitung, zum Beispiel durch die Verwendung von Kunststoff-Schneidebrettern in der Küche, mehr Plastik aufnehmen als durch den Verzehr von möglicherweise kontaminiertem Fisch, betont die Meeresbiologin.

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naturheilkunde-und-gesundheit 10-2022
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