Globalisierung der Natur

Viele vor langer Zeit eingewanderte und eingeführte Arten von Tieren und Pflanzen stellen eine Bereicherung unserer Umwelt dar. Doch ein Teil der „Neuankömmlinge“ bereitet Probleme.

Ohne pflanzliche und tierische Einwanderer sähe Deutschland anders aus, würde anders klingen, schmecken und riechen. Denn viele, die wir heute selbstverständlich als hiesige Mitbewohner wahrnehmen, sind „Zugereiste“. Könnten wir nicht auf sie als Lebensmittel zurückgreifen, kämen weder Weizen noch Kartoffeln, Tomaten oder Äpfel aus regionalem Anbau auf unseren Tisch, und Kamillentee wäre eine asiatische Spezialität. Kastanien und Walnussbäume ragten nicht in den Himmel, Feldhasen würden nicht durch die Landschaft hoppeln. Auch das Zwitschern der Feldlerchen bliebe aus, Damwild gäbe es keins in unseren Wäldern, Bachsaibling und Regenbogenforelle schwämmen nicht durch deutsche Gewässer. – Von Stephanie Drönner

Lesehilfe: Der Begriff Neobiota stammt aus dem Griechischen („Neo“ = neu und „Biota“ = Leben). Neobiotische Pflanzen, also welche, die sich in Gebieten ansiedeln, in denen sie zuvor nicht heimisch waren, nennt man Neophyten. Eingebrachte Tierarten werden Neozoen genannt.

Gewünschte Gäste, blinde Passagiere

Wir selbst, aber auch heimische Tierarten, profitieren von den „Neuen“ als Nahrungsquelle. Viele Neophyten – hierbei handelt es sich um angesiedelte Pflanzen und Bäume – erfreuen uns zudem mit ihrem Aussehen in Parks und Gärten. Andere, wie die Robinie, wurden aufgrund ihres verrottungsfesten Holzes ins Land geholt.

Einige Neozoen, wie aus anderen Weltregionen eingebrachte Tierarten genannt werden, nutzten wir Menschen über lange Zeit als Jagd- und Pelztiere. Immer wieder entkamen den Zuchtfarmen einzelne Exemplare; oft wurden Bisamratten, Waschbären und Nutrias bei Aufgabe einer Pelztierfarm einfach freigelassen. Sie richteten sich häuslich ein und fühlen sich hier mittlerweile längst heimisch.

Bekannt ist auch die Aga-Kröte, die bewusst und gezielt zur biologischen Schädlingsbekämpfung u.a. in Australien ausgesetzt (1935/36) und dort mangels Fressfeinden und durch eine hohe Reproduktionsquote zur Plage wurde.

Viele der Neuzugänge reisen jedoch gänzlich unbeabsichtigt als Effekt der Globalisierung ein: Durch interkontinentale Flug- und Schiffsreisen bringen wir aus fernen Ländern nicht nur unfreiwillig Pflanzensamen mit, auch Käfer, Mückenlarven, Muscheln und Krabben sind oft mit an Bord.

Eine Bitte: Keine Urlaubsandenken
Nehmen Sie aus Ihrer Feriendestination keine Pflanzen oder Samen mit nach Hause. Die Ausfuhr ist ohnehin in den meisten Ländern verboten; zudem lassen sich die Auswirkungen der fremden Arten auf die heimische Flora nicht immer abschätzen.

Von friedlich bis tödlich

Rund 600 eingeschleppte Pflanzen und über 260 Tierarten konnten sich in Deutschland laut WWF fest etablieren; das heißt, sie haben sich über etwa 100 Jahre im geografisch neuen Raum beheimatet und ausgebreitet. Mit den meisten von ihnen leben wir in friedlicher Koexistenz, doch rund zehn Prozent gehören zu den sogenannten invasiven Arten. Sie verbreiten sich so stark, dass sie heimische Arten gefährden. Invasive Pflanzen, wie etwa der einst als Futterpflanze eingeführte Riesenbärenklau oder das Drüsige Springkraut, verdrängen hiesige, indem sie schneller keimen oder sich explosionsartig vermehren. Invasive Tierarten können Krankheiten übertragen, wie zum Beispiel die von amerikanischen Flusskrebsen eingebrachte Krebspest. Selbst immun, geben die Krustentiere den Erreger weiter, der für heimische Flusskrebsarten tödlich ist. Auch für den Menschen können viele solcher „Mitbringsel“ gefährlich werden.

Das Pollen-Problem

Die große Schwierigkeit für die Immunabwehr einheimischer Lebewesen, ob Mensch oder Tier: Sie kennt die neuen Erreger eingeschleppter Arten nicht, kann daher keine wirkungsvollen Gegenmaßnahmen ergreifen. Zudem bergen viele Neophyten ein hohes Allergiepotenzial. Da sich aufgrund des Klimawandels stark allergene Exoten wie die japanische Zeder, Olivenbäume, der asiatische Götterbaum und die mediterrane Zypresse hier wie zu Hause fühlen, erhöht und verlängert sich die Pollenbelastung rund ums Jahr.

Und dann ist da noch die vor rund 150 Jahren mit Vogelfutter und Saatgut eingereiste Ambrosia: Sie steht im Verdacht, auch bei Gesunden sofort Allergien bis hin zu allergischem Asthma auszulösen. Laut NABU werden die gesundheitlichen Folgekosten der Beifuß-Ambrosie in Deutschland auf 200 Millionen bis eine Milliarde Euro geschätzt. Nur die Spitze des Eisbergs: Mindestens zwölf Milliarden Euro gehen Schätzungen zufolge EU-weit zu Lasten invasiver Arten. Diese stellen also nicht nur eine massive gesundheitliche und ökologische Bedrohung dar, sondern auch eine ökonomische.

Was wir alle tun können
Bei der Bepflanzung unserer Gärten auf neophytische Arten wie Stauden-Lupine, Weißer Hartriegel, Schmetterlingsflieder, Kirschlorbeer oder Kanadische Goldrute verzichten. Kleinere Bestände von Ambrosia und Riesenbärenklau möglichst vor der Blüte entfernen. Bei Ersterer mindestens Handschuhe tragen; Allergiker sollten nicht selbst Hand angelegen. Letztere nur mit Schutzkleidung (Brille!) und bei bedecktem Himmel angehen: Der Saft der giftigen Pflanze löst unter Sonnenlicht phototoxische Reaktionen auf der Haut aus. Größere Bestände unbedingt der Gemeinde melden.

Und natürlich stehen wir Ihnen gern beratend zur Seite.

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Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.