Laktobazillus und Vaginalflora

Da der Laktobazillus so ein Tausendsassa ist, möchten wir ihn einmal genauer vorstellen und zwar schwerpunktmäßig mit Bezug auf die Vaginalflora (insbesondere von Frauen im reproduktionsfähigen Alter), wo er auch sehr viele, wichtige Effekte auf seinen menschlichen Wirt hat. Gestatten, die vaginalen Laktobazillen Lactobacillus crispatus, L. iners, L. gasseri und L. jensenii.

Im Rahmen unseres Artikels „Darmgesundheit“ haben wir Ihnen schon u.a. die wichtigsten Vertreter probiotischer Bakterien vorgestellt, zu denen auch die Laktobazillen gehören.

Produktion von Laktat

Klar, Laktobazillus gehört zu den Laktat-produzierenden Bakterien, also sollte natürlich auch Laktat produziert werden. Aber das wie und wo der Laktatproduktion ist in mehrfacher Hinsicht besonders.

1) Das Laktat wird von diesen Bakterien hergestellt aus Glykogen, wobei der pH-Wert gesenkt wird (auf 3 bis 4,5), dies hindert viele unerwünschte Bakterien am Wachstum.

2) Zudem produzieren die Laktobazillen Bakteriozine, die anderen Mikroorganismen die Bindung an die vaginalen Epithelzellen erschweren, wodurch wiederum eine Fremdbesiedlung verringert wird.

3) Wichtig ist auch die Art des produzierten Laktats, Laktobazillen produzieren die spezielle Ausprägung des sog. D-Isomer. Nur dies kann die Produktion von MMP-8 drosseln, was sonst den sog. Zervixschleimpfropfen schädigt, der wiederrum das Eindringen von Bakterien in den oberen Genitaltrakt verhindert. Nochmal in Kurzform: D-Laktat > weniger MMP-8 > heiler Pfropfen > keine Fremdbakterien.

Man sieht, dass Effekte oftmals auch erst über mehrere Ecken die gewünschte Wirkung entfalten können. Um nun aber nicht zu forschungs-medizinisch zu werden, stellen wir die weiteren Effekte etwas vereinfacht vor und verweisen an dieser Stelle für vertiefende Informationen auf die Studie „Witkin SS, Linhares IM: Why do lactobacilli dominate the human vag. microbiota? BJOG 2017; 124: 606-11.

Förderung von Gentranskription und DNA-Reparatur

Indirekt fördert das Laktat die Gentranskription. Als Folge wird vermutet, dass eine Aktivierung sonst blockierter Gene das angeborene Immunsystem stärkt. Eine ebenfalls damit verbundene Annahme ist eine verbesserte DNA-Reparatur. Beides würde die Vaginalregion vor äußeren Einflüssen besser schützen können.

Autophagie

Durch die Laktat-Akkumulation in den Zellen können dort anbrandende schädliche Mikroorganismen abgewehrt werden, die Mitochondrien können ungestört funktionieren (was den oxidativen Stress reduziert) und dysfunktionale Proteine können auch beseitigt werden.

Verbesserte Immuntoleranz

Auch dies verdankt die Vaginalflora den Laktobazillen. Verstärkend kommt in der Schwangerschaft hinzu, dass ihre Vermehrung (durch mehr Östrogen) hochgeregelt und der Effekt noch verstärkt wird. Vermutlich wird durch das Laktat auch Chlamydia trachomatis inaktiviert und sogar das HI-Virus hemmt.

Bakterielle Vaginosen durch Stress und Rauchen

Vaginosen sind untypische Besiedlungen der Vaginalflora, die zu Entzündungen führen können. Freund Laktobazillus hat ja nun wie beschrieben großen Anteil am Schutz des Vaginalbereichs. Also ist alles gut? Nicht ganz: Seine schützende Wirkung kann erheblich gestört werden durch Stress. Stress reduziert die Anzahl der Laktobazillen und begünstigt gleichzeitig Entzündungsreaktionen.

Eine verhältnismäßig neue Studie belegt zudem, dass Rauchen (dosisabhängig) mit einem erhöhten Risiko für bakterielle Vaginosen assoziiert ist. Darüber hinaus verändert Nikotinkonsum den Stoffwechsel der Vaginalflora auch direkt.

Verglich man ausschließlich die Frauen mit einer Laktobazillen-armen Scheidenflora, so fanden sich bei Raucherinnen signifikant größere Mengen der biogenen Amine Agmatin, Cadaverin, Putrescin und Tyramin. Diese Substanzen sind, wie frühere Studien zeigten, mit einem Rückgang der Laktobazillen assoziiert. Zudem erhöhen sie die Virulenz bestimmter Pathogene, etwa von Neisseria gonorrhoeae.
[Borgogna J-L et al.: Cigarette smoking is associated with an altered metabolomic profile of the vaginal environment. 43. Jahrestagung der IDSOG (Infectious Diseases Society for Obstetrics and Gynecology), 2016, Annapolis (MD), USA]

Diese Form der vaginalen Laktobazillen-Besiedlung gibt es nur beim Menschen

Erstaunlich ist, dass wir bei dieser Besiedlung eine Sonderstellung einnehmen, sie ist bei keinem anderen Lebewesen in dieser Form bekannt. Auf der Suche nach dem Grund wird die Antwort im menschlichen Sexualverhalten vermutet: Menschen praktizieren auch an nichtfruchtbaren Tagen sowie während einer Schwangerschaft Geschlechtsverkehr. Dabei kommt die Vaginalflora oftmals in Kontakt mit männlichem Ejakulat. Dies wird vom weiblichen Körper als Fremdkörper eingestuft. Damit es das Immunsystem aber nicht gänzlich bekämpft, schließlich soll je auch eine Befruchtung stattfinden dürfen, braucht es eine sehr große Immuntoleranz, zu der eben auch das Laktobazillus erheblich beiträgt.

Intimpflege Tipp

Die Vaginalflora sollte nicht durch übertriebenes Reinigen mit desinfizierende Seifen „gestört“ werden. Natürlich ist Reinigung wichtig und notwendig, verwenden Sie aber am besten nur warmes Wasser, höchstens mit sanften milchsäurehaltigen Präparaten für die Intimbereichspflege.

Sie sehen, Laktobazillus ist zwar ein winzig kleiner aber sehr wichtiger Freund. Wenn Sie noch weitergehende Fragen haben, sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gern. Falls wir Sie mit den obigen Aussagen einen weiteren Schritt weg von der ungesunden Angewohnheit des Rauchens gebracht haben, finden Sie hier noch weitergehende Unterstützung zur mentalen Umsetzung des Nichtrauchens.

Lesetipps: Mikroben – Freunde und Feinde oder auch weitere Artikel zum Thema Schwangerschaft.

Quelle: Apotheken-Depesche 5/2017 mit eigenen Ergänzungen.