Misteltherapie als Onkologikum

Die meisten kennen wohl den Druiden Miraculix aus den Asterix-Comics. Immer wenn es darum ging, einen Zaubertrank zu brauen, musste er losziehen und Misteln schneiden. Eben eine wichtige Zutat seiner Tränke. Obwohl nur ein Comic, basiert Miraculix Sammeltrieb auf tatsächlichen Gebräuchen, die Mistel wurde bereits in frühen Tagen von Druiden aufgrund Ihrer Inhaltstoffe eingesetzt.

Misteln sind immergrüne halbparasitäre (eine der ganz wenigen Parasiten-Pflanzen in Europa) Sträucher, die auf den Ästen von Bäumen sitzen. Die bis zu einem Meter durchmessenden kugligen Gebilde sind besonders gut auszumachen, wenn die Bäume ihre Blätter verloren haben. Jede Gabelung in den Zweigen entspricht dabei in etwa einem Jahrestrieb.

Onkologie, noch abschließend kurz erklärt, ist die Wissenschaft, die sich mit Krebs befasst.

Vielfältige Misteln

Die weißbeerige Mistel (Viscum album) weist unter den weltweit mehr als 1000 Arten das größte Wirtsspektrum auf. In Mitteleuropa kommt sie in drei Unterarten vor:

  • als Laubholzmistel (Viscum album ssp. album) auf verschiedenen Laubbäumen wie Apfelbaum, Eiche, Ulme, Pappel, Ahorn, Linde, Birke
  • als Kiefernmistel (Viscum album ssp. austriacum) auf Kiefern
  • als Tannenmistel (Viscum album ssp. abietis) auf Tannen.

Die Unterarten der weißbeerigen Mistel unterscheiden sich neben einigen morphologischen Merkmalen vor allem in pharmakologischen Eigenschaften. Hauptinhaltsstoffe, die auch als Reinextrakte eingesetzt werden können sind Viscotoxine und Mistellektine, diese stellen Eiweißverbindungen dar, die von der Mistel gebildet werden. Ihre Konzentration variiert je nach Unterart der Mistel und je nach Wirtsbaum. Viscotoxine erreichen ihre höchste Konzentration im Sommer in den jungen Blättern, die Mistellektine sind dagegen im Winter und in den älteren Stängeln am höchsten konzentriert.

Den Extrakten werden schließlich noch teilweise Metallsalze in homöopathischer Dosierung zugesetzt (z.B. Malachit, Quecksilbersulfat oder Silbercarbonat), auch dies verändert jeweils den Einsatzbereich bzw. die Intensität der Wirkung, zu unterscheiden ist auch jeweils zwischen dem Einsatz bei Mann und Frau (vgl. auch unten: Grenzen der Anwendung).

Hier ein kleiner Überblick über die gängigsten Anwendungsbereiche (lt. Angaben der Firma Iscador):
Männer Frauen
(Quercus, von der Eiche, Pini von der Pinie (Kiefer), Malus vom Apfelbaum sowie Ulme; Cu mit Kupfer, Hg mit Quecksilber, Argentum mit Silber angereichert)
Verdauungstrakt:
Zunge, Mundhöhle, Oesophagus Qu M
Magen, Leber, Galle, Milz Qu c. Cu M c. Cu
Pankreas Qu c. Cu M c. Cu
Dünndarm, Dickdarm, Rectum Qu c. Hg M c. Hg
Urogenitaltrakt:
Niere Qu c. Cu M c. Cu
Blase Qu c. Arg M c. Arg
Prostata, Testis, Penis Qu c. Arg
Uterus, Ovar, Vulva, Vagina M c. Arg
Brust:
vor der Menopause M c. Arg
um die Menopause M c. Hg
nach der Menopause P c. Hg
Respirationstrakt:
Nasen- Rachenraum P P
Schilddrüse, Kehlkopf Qu M
Bronchien, Pleura U c. Hg, evtl. Qu c. Hg U c. Hg, evtl. M c. Hg
Haut: P oder P c. Hg P oder P c. Hg

Zu beachten ist scheinbar auch, dass das Material der Sichel-Klinge, die zum Abschneiden benutzt wird, bereits von Bedeutung für die spätere Wirkung ist. Eingesetzt werden hier in der Regel Gold, Silber oder gehärteter Stahl.

Eine komplementäre Behandlungsform

Die Misteltherapie gehört im deutschsprachigen Raum zu der am häufigsten angewandten komplementärmedizinischen Krebsbehandlung, dazu hat sicherlich auch der stetig wachsende Patientenwunsch nach integrativer Medizin geführt. Mistelextrakt besteht aus über 1000 Einzelsubstanzen und ist mit über 2500 Publikationen wohl auch einer der am besten untersuchtesten. Die Studien sind sich im Ergebnis jedoch nicht einig, eine wissenschaftlich fundierte Wirksamkeit konnte nicht generell belegt werden, aber genauso wenig wurde Schädlichkeit nachgewiesen. Wie bei allen komplementären Behandlungsmethoden gilt auch hier: Wer heilt, kann nicht ganz falsch liegen. PS: Die Mistel wurde zur Heilpflanze des Jahres 2003 gekürt.

Die Misteltherapie weckt die Gesundungskräfte. Sie lässt Patienten neuen Mut schöpfen, aktiv am Leben teilnehmen und gibt Gefühl, selbst etwas für sich zu tun und nicht nur den Ärzten ausgeliefert zu sein. Das ist der fühlbare und oftmals als unwissenschaftlich abgestempelte Teil. Darüber hinaus gibt es aber auch wissenschaftlich nicht zu vernachlässigende Studien, die der Misteltherapie zuschreiben, das Immunsystem im Sinne einer Immunmodulation zu aktivieren, z.B. durch Anregung der Apoptose von Krebszellen, Anregung der Vermehrung von Immunzellen oder einer DNA Stabilisierung gesunder Zellen (vgl. Ausführungen zur Kombination mit einer Chemotherapie weiter unten).

Anwendung

Mistelpräparate können bei fast jeder Tumorerkrankung eingesetzt werden, außer bei Leukämien und Lymphomen. Allerdings unbedingt unter ärztlicher Aufsicht, denn es gibt vielfältige Misteltherapien und jede Therapie ist individuell und muss auf den Patienten abgestimmt werden. Zudem werden die Präparate gespritzt, da eine orale Gabe im Verdauungstrakt durch dortige Funktionswesen unwirksam werden würde. Die Reaktionen auf die erste Spritze können selbst bei kleinen Dosen heftig ausfallen, auch deswegen sollte nicht auf den Arzt verzichtet werden. Zudem kann es im Verlauf der Therapie notwendig werden, das Mistelpräparat zu wechseln. Übrigens ist eine leichte Rötung an der Einstichstelle erwünscht, so weiß man, dass das Immunsystem auf den Mistelextrakt reagiert. Allerdings sollte keine Injektion in bestrahlte Körperpartien erfolgen.

In Verbindung mit einer Chemotherapie scheint die Mistel die Wirkung noch zu verstärken: Es wird davon ausgegangen, dass die Mistel die DNA von Zellen (also deren Erbsubstanz) vor Giften schützen kann, allerdings ist das nur bei gesunden weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) gezeigt worden, nicht bei Krebszelllinien. Es legt die Vermutung nahe, dass im Rahmen einer Chemotherapie die gesunden Zellen geschützt und die Krebszellen der vollen Auswirkung ausgesetzt werden. Die ungünstige Vermutung, dass die Mistel den Abbau von Zytostatika beschleunigen und die Wirksamkeit der Chemotherapie schmälern könnte, scheint durch Studien widerlegt.

Grundsätzlich ist eine Misteltherapie langfristig angelegt. Das Ziel ist, den Organismus zu stärken. Sie ist auch empfehlenswert, wenn bereits Metastasen da sind. Der Körper wird gestärkt, die Lebensqualität steigt.

Alternativen zur Mistel und Grenzen der Anwendung

Generell sollte die Auswahl eines Mistelpräparates ausschließlich durch sehr erfahrene Therapeuten erfolgen, da kleine Abweichungen bei der Auswahl der Mistel, sowohl in Stärke, Herkunft des Wirtsbaumes bzw. Aktivierung durch bestimmte Reizmetalle (z.B. Iscador) sowie der Applikationshäufigkeit zu beachten sind (vgl. oben).

Alternativ kann eventuell auch in Betracht gezogen werden, ob man nicht eine gezielte ggf. stärker wirksame Immunstimulation unter bestimmten Bedingungen vorziehen sollte, da z.B. bestimmte aggressive Chemotherapien während ihrer Applikation den Effekt der Mistel deutlich schmälern.

Zu denken wäre hier z.B. an Thymusextrakte wie Enzythym, (Thymus Mulli) oder davon fraktionierten Teilen wie TFX Thymomodulin oder Lupex für spezielle Anwendungen. Desweiteren gibt es z.B. bei Blasenkarzinomen die lokale BCG Vaccinierung, die aus der Tuberkulose-Therapie entliehen ist. Ebenfalls kann man bei heruntergeregeltem Immunsystem durch Latentviren (EBV, Zoster, Herpes, CMV) bzw. Cortisongaben einen Extrakt aus Süßholz einsetzen, der Glycyrrhizinsäure enthält (ein Saponin und Triterpenoid, das natürlicherweise in der Wurzel der Süßholzpflanze vorkommt), die das Immunsystem stark gegen chronische Prozesse aktiviert, indem bestimmte immunaktivierende Interleukine (Verhältnis IL6/IL10) aktiviert werden.

Hierzu jedoch später an anderer Stelle mehr, da jedes davon einen eigenen Blogbeitrag ausfüllen kann.

Eine gute (aber sicherlich nicht ganz unbefangene) Informationsquelle, auch zur aktuellen Studienlage der Misteltherapie, ist eine von der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD) ins Leben gerufene Website: www.mistel-therapie.de

Sollten Sie vom Thema Krebs betroffen sein und eine Misteltherapie in Erwägung ziehen, so lassen Sie sich von einem ganzheitlich orientierten Therapeuten beraten.

Auch wir stehen Ihnen gern für Fragen zur Verfügung.

Zu guter Letzt möchten wir noch einen ganz anderen „Anwendungsbereich“ der Mistel ergänzen:
In der Weihnachtszeit werden gern Mistelzweige in Türrahmen aufgehängt. Paaren soll es Glück bringen, sich darunter zu küssen. Steht eine junge Frau darunter, dürfte sie es nach der Tradition nicht ablehnen, geküsst zu werden (man(n) sollte zuvor dennoch das Einverständnis einholen). Bleibt ein Mädchen unter dem Zweig stehend ungeküsst, wird sie im nächsten Jahr nicht heiraten.
Die Geschichte hinter diesem Brauch finden Sie über Ihre bevorzugte Suchmaschine (Der von uns hier ursprünglich angegebene Link funktionierte nicht mehr und wurde entfernt).

2018 – Ein Update

Die Misteltherapie stellt hierzulande die häufigste integrative medikamentöse Therapie in der Onkologie dar. Die Forschung wurde dementsprechend nochmals intensiviert.

In einem Update-Artikel, versehen mit einer Literaturliste vieler auch neuer Studien (liegt uns vor), im Journal für die Apotheke (Heft 3 2017) kommt der Verfasser Prof. Dr. Harald Matthes zu folgendem Fazit:

Die Studienlage für die Misteltherapie hat sich in den letzten Jahren weiter verbessert. Für das Pankreaskarzinom in der palliativen Therapie wurden Effekte auf OS und Lebensqualität nachgewiesen, wie sie konventionell bisher nicht erbracht wurden. Die Studienqualität liegt dabei im Vergleich zu konventionellen Studien im obersten Segment. Dennoch wird die Misteltherapie weiterhin kontrovers in Leitlinien und Mainstreammedizin bewertet. Ob die Vermarktung der anthroposophischen Mistel über konventionelle Pharmafirmen (Bremistal®; Mundipharma) daran etwas ändert, muss abgewartet werden. Für gastrointestinale und gynäkologische Tumore ist die Evidenzlage der Misteltherapie bezogen auf die Lebensqualität gut bis sehr gut und für die Überlebenszeit ausreichend bis gut.

Die höchste Effektivität weist die Misteltherapie in der Adjuvans [Hilfsstoff, der die Wirkung eines Arzneistoffes verstärkt] zur konventionellen Chemotherapie auf und eine sequenzielle Therapie, erst die konventionelle Chemotherapie, dann eine Misteltherapie, muss als obsolet [veraltet] gelten, zumal alle Studien zu Wechselwirkungen der Chemotherapeutika mit der Mistel keine negativen Ergebnisse erbrachten. Die Misteldosis sollte bei subkutaner Gabe rasch gesteigert und relativ hoch dosiert werden, bis eine lokale Rötung auftritt. Neuere Mistelentwicklungen (ViscumTT), bei denen der wässrige und lipophile Mistelextrakt kombiniert zur Anwendung kommen, weisen auf noch große Zukunftspotentiale hin, wie auch die intensivierten Therapieschemata mit intravenöser oder intratumoraler Mistelanwendung weiter ausgebaut werden sollten.

Betroffenen empfehlen wir eine Beratung durch einen ganzheitlich orientierten Therapeuten, um für sich selbst Chancen und Nutzen dieser (oder auch anderer) alternativer Therapieformen abzuklären.