Durchblick im Ernährungs-Dschungel

Intervallfasten nach Zeitplan, Speisen wie ein Höhlenmensch oder einfach nach Lust und Laune essen? Es gibt viele Meinungen darüber, welche Methode die beste ist. Zusammen mit der Ernährungsmedizinerin Dr. Petra Bracht hat Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Claus Leitzmann, Pionier von Vollwertküche und Vegetarismus, die verschiedenen Empfehlungen geordnet und erklärt, was gesunde Ernährung eigentlich bedeutet. – Von Saskia Fechte

Herr Prof. Leitzmann, wie lassen sich relevante Inhalte aus all den Ernährungsempfehlungen herausfiltern?

Inzwischen sind nicht nur Verbraucher, sondern auch Berater und Experten von der Flut der sich teilweise widersprechenden Informationen überfordert. Eine kluge Entscheidung kann auf Basis unserer körperlichen Veranlagungen und den seit Jahrtausenden gesammelten Erfahrungen getroffen werden. Dabei dürfen und sollen persönliche Vorlieben und Abneigungen sowie individuelle Einschränkungen einbezogen werden.

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Wie sehen denn diese Veranlagungen aus?

Die artgerechte Ernährung des Menschen besteht überwiegend oder gänzlich aus Pflanzen, denn unsere anatomischen und physiologischen Merkmale ähneln denen von pflanzenfressenden Tieren. So sind unsere Zähne für das ausgiebige Kauen geeignet, Reißzähne sind nur im Ansatz vorhanden. Unsere Schluck- und Kaubewegungen, Organe und Stoffwechsel sowie das Vorkommen stärkeabbauender Enzyme im Speichel weisen auf Pflanzen als die natürliche Nahrung hin. Wir haben den typisch langen Dünndarm und großen Dickdarm, die für die Verdauung von Pflanzen geeignet sind. Unsere Unfähigkeit, Vitamin C zu bilden, belegt, dass wir schon immer Vitamin-C-haltige Pflanzen verzehrt haben. Diese Erfahrung ist inzwischen durch Langzeitstudien sehr gut belegt. Die eigentlichen Gesundheitsträger unserer Ernährung sind Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die eben nur in Pflanzen vorkommen.

Sind tierische Lebensmittel also ungünstig?

In der asiatischen Medizin und der Antike war bereits vor Jahrtausenden bekannt, dass der übermäßige Verzehr von tierischen Produkten – beziehungsweise der zu geringe Anteil pflanzlicher Lebensmittel – zu Krankheiten führen kann. Diese Erkenntnisse wurden von der Naturheilkunde immer wieder bestätigt und sind heute durch unzählige Studien belegt. Dass wir auch tierische Produkte vertragen, ist der alles überragenden Wichtigkeit des Überlebens geschuldet. Der Mensch hätte ohne diese Flexibilität in den kalten Zonen der Erde wohl nicht überlebt.

Kann richtige Ernährung bei Gesundheitsproblemen helfen?

Fast jede Krankheit kann durch eine Umstellung auf eine pflanzenbasierte Kost zumindest gelindert, häufig stark reduziert und oft ganz geheilt werden.
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Wie sind populäre Ernährungsformen wie Keto-Diät oder Low Carb zu bewerten?

Low Carb-Diäten sind populär, weil sie bei Übergewicht relativ schnell zu Erfolgen beim Abnehmen führen – und das mit einer Ernährung, die den Gewohnheiten entgegenkommt. Aber die natürliche Energiequelle des Körpers sind Kohlenhydrate. Die Ketone, die wegen der fehlenden Kohlenhydrate aus Fett als Ersatzenergie gebildet werden, führen zu einer Übersäuerung der Gewebe, verstärkt noch durch die bewusst hohe Eiweißzufuhr. Die Übersäuerung belastet die Nieren sowie den Calciumstoffwechsel und begünstigt letztlich Osteoporose.

Wie sieht gesunde Ernährung ganz praktisch im Alltag aus?

Gesunde Ernährung ist im Prinzip recht einfach, denn von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind keine der Abertausenden von Produkten, die heute in Supermärkten erhältlich sind, erforderlich. Morgens werden entweder Haferflocken mit Nüssen und geschroteten Samen sowie Früchten, besonders Beeren, zusammen mit pflanzlichem Joghurt zubereitet. Alternativ ist Vollkornbrot mit Avocado, Tomaten oder vegetarischem Brotaufstrich geeignet. Wer morgens nicht essen mag, beginnt mittags mit einem Salat. Dann folgt ein Gericht aus Getreide, Urgetreide, Hülsenfrüchten oder Kartoffeln mit Gemüse, schonend zubereitet. Abends sollte möglichst früh und nicht zu üppig gegessen werden. Geeignet ist Vollkornbrot mit pflanzlichem Brotaufstrich und etwas Frischkost. Intervallfasten ist empfehlenswert.

Inwieweit spielt Umweltschutz bei der Ernährung eine Rolle?

Jeder kann und sollte bei jeder Mahlzeit einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen beitragen. Der größte Vorteil ergibt sich aus dem Verzehr pflanzlicher Lebensmittel. An zweiter Stelle stehen Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft. Weitere beachtliche Beiträge sind möglich durch weniger Auto fahren sowie weniger Verschwenden.

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Aber es gibt auch andere Ansätze, nach dem Motto „alles ist erlaubt“: Das beste Essen aller Zeiten oder aber Essen nach Ayurveda. Finden Sie auch hier im Blog viele weitere Artikel zum Thema Ernährung.

Selbstverständlich haben wir auch für Ihre Fragen ein offenes Ohr und beraten Sie gern sowie individuell abgestimmt. Sprechen Sie uns einfach auf das Thema an.

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Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.