Gesundes Essen ist Lebensfreude

Am 7. März ist „Tag der gesunden Ernährung“
Regional, naturnah, vielseitig: Wer „artgerecht“ isst, kann Krankheiten vorbeugen und Beschwerden loswerden. Das weiß TV-Ernährungs-Doc Matthias Riedl aus Erfahrung. Im Interview spricht der Arzt und Buchautor über Gemüse, Gesundheit und Genuss: „Artgerechte Ernährung schöpft aus dem Vollen und ist extrem vielseitig.“

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Herr Dr. Riedl, am 7. März ist „Tag der gesunden Ernährung“. Ist das für Sie ein besonderes Datum?

Auf jeden Fall. Der bundesweite Aktionstag ist wichtig, um das öffentliche Interesse auf das bedeutende Thema zu lenken. Gesunde Ernährung geht uns alle an. Sie ist der Schlüssel zu einem langen Leben und die beste Möglichkeit, Erkrankungen wie Stoffwechselstörungen und entzündliche Autoimmunkrankheiten zu verhindern. Und umgekehrt gilt: Falsche Essgewohnheiten gehören zu den fundamentalen Zukunftsproblemen unserer Gesellschaft. Eine ungesunde Ernährung bedroht nachweislich die Gesundheit und verkürzt die Lebenserwartung.

 

Was machen wir denn so falsch beim Essen?

Backwaren, Tütensuppen, Tiefkühlpizza und Co. – vor allem Fertigprodukte sind zum Fluch geworden. Wir essen sie zu oft, in zu großen Mengen und nehmen insbesondere mehr Kohlenhydrate auf, als wir in unserem oft bewegungsarmen Alltag verbrennen können. Ein Hauptproblem ist der deutlich zu hohe Zuckerkonsum durch Süßigkeiten, Gebäck, Softdrinks und Fertigkost. Nicht mehr als 25 Gramm sollten wir am Tag essen, sagt die WHO. Das ist die Menge, die beispielsweise in einem großen Glas Orangensaft steckt. Die Realität sieht aber so aus, dass wir pro Tag über 100 Gramm Zucker futtern – und so unsere Gesundheit massiv gefährden. Wir bekommen Übergewicht, fördern Entzündungen im Körper und Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Fettleber. Ein weiteres Problem von Fertigprodukten sind die vielen Zusatzstoffe.

 

Zusatzstoffe sind aber doch geprüft und zugelassen …

Das stimmt. Trotzdem können sie die Gesundheit beeinträchtigen, vor allem in großen Mengen. Das gilt zum Beispiel für Phosphate in Wurstwaren. Neuere Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass Emulgatoren, die unter anderem in Eiscreme, Salatdressings und Backwaren stecken, die Darmflora stören können. Als diese Zusatzstoffe auf Unbedenklichkeit untersucht wurden, war die Darmflora, das sogenannte Mikrobiom, noch weitgehend unerforscht. Heute wissen wir aber, dass mehr als 1.000 Arten nützlicher Mikroorganismen im Darm leben. Von ihrem Gleichgewicht hängt unsere Gesundheit maßgeblich ab. Gezeigt hat sich nun, dass bestimmte Emulgatoren das Wachstum der guten Keime hemmen können. Auch andere ungünstige Essgewohnheiten sind dafür verantwortlich, dass die Darmflora bei vielen Menschen nicht intakt ist. Dadurch können zahlreiche Krankheiten entstehen, zum Beispiel Rheuma und chronisch-entzündliche Darmleiden.

 

Wie können wir unserer Darmflora etwas Gutes tun?

Wichtig ist, die guten Darmbakterien mit Ballaststoffen zu füttern und damit auch das Risiko für Krankheiten wie Diabetes, Verstopfung oder Darmdivertikel zu senken. Die unverdaulichen Pflanzenfasern kommen in größeren Mengen in vollem Korn und in Gemüse vor. Sehr viel Gemüse zu essen, ist übrigens einer der wichtigsten Ratschläge auf dem Weg zu einer gesunden Ernährung. 500 Gramm am Tag sind optimal, verteilt auf zwei bis drei Mahlzeiten. Besonders günstig ist es, so viel grüne Abwechslung wie möglich auf den Speiseplan zu bringen – frische Salate der Saison, Kohlgemüse, Tomaten, Möhren, Radieschen, bald wieder Spargel und, und, und. Ideal wären 25 verschiedene Sorten pro Woche.

 

Welche gesunden Lebensmittel sollten außerdem reichlich auf den Teller kommen?

Seit gut zwei Jahrzehnten plädiere ich für eine artgerechte Ernährung, die sich am Essverhalten unserer Vorfahren orientiert. Bis vor zwei Millionen Jahren war der Frühmensch ein reiner Pflanzenfresser, der von Früchten, Nüssen, Pilzen und Blättern lebte. Erst der Homo erectus nahm tierische Beikost in Form von Insekten und Kleintieren auf. Sich artgerecht zu ernähren, bedeutet für uns, den Sammler zu imitieren: Faserreiche pflanzliche Kost ist der Hauptbestandteil auf dem Teller, also viel Gemüse und maximal 200 Gramm Obst am Tag. Die meisten Obstsorten enthalten von Natur aus reichlich Fruchtzucker – zu viel davon begünstigt Übergewicht. Hinzu kommen gesunde Fette aus guten Pflanzenölen und Nüssen. Sie enthalten unter anderem Antioxidanzen, die zell- und gehirnschützend wirken. Weniger ist mehr, heißt die Devise bei Kohlenhydraten aus Weißbrot, geschältem Reis, Nudeln und Co. Vollkorn ist besser. Tierische Lebensmittel sollten – wie vor zwei Millionen Jahren – Beikost sein.

 

Bekommen wir mit Pflanzenkost denn genug Eiweiß?

Sowohl Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen als auch Nüsse sind ergiebige und sehr gesunde Eiweißlieferanten. Auch Vollkorngetreide und manche Gemüsesorten sind reich an Proteinen. Aus diesen pflanzlichen Quellen sollten wir in erster Linie schöpfen, um unseren Bedarf zu decken. Als Faustregel gilt: 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht brauchen wir am Tag, ein 70 Kilo schwerer Mensch sollte also 56 Gramm Eiweiß essen. Bei älteren Menschen und Sportlern ist der Proteinbedarf etwas höher. Tierische Eiweißlieferanten, wie Eier, Milchprodukte, Fisch und Fleisch, können einen kleinen Teil zur Versorgung beitragen. Gut ist es, Eier aus Ökohaltung und Bio-Fleisch zu kaufen.

 

Wie unterscheidet sich artgerechte Kost von anderen, vermeintlich gesunden Ernährungsformen?

Artgerechte Ernährung ist, im Vergleich zu Ernährungstrends wie Low Carb, Paleo-Diät, veganer oder glutenfreier Kost, extrem vielseitig. Sie kennt keine Verbote – jedes Lebensmittel ist erlaubt, nur auf die Dosis kommt es an. Artgerecht zu essen sättigt gut und verspricht viel Genuss. Das ist wichtig, denn Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme: Es ist ein Stück Lebensfreude!

 

Können gesunde Essgewohnheiten Krankheiten in erster Linie vorbeugen oder auch heilen?

Als Arzt wünsche ich mir natürlich, dass Menschen gar nicht erst krank werden. Hier ist gesundes Essen der wichtigste Schutzfaktor. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass 80 Prozent aller Krankheiten verhaltensbedingt sind – und dabei spielt die Ernährung die Hauptrolle, noch vor Tabakkonsum und Alkohol. Es ist daher nur konsequent, beim Essen anzusetzen, um Krankheiten vorzubeugen. Aber ein gesundes Essverhalten kann Beschwerden auch lindern, manche Erkrankungen sogar dauerhaft heilen. In unserer Praxis in Hamburg behandeln mein Team und ich mittlerweile weit über 80 Krankheiten mit Ernährungsmedizin – und erzielen beachtliche Erfolge. Bei vielen Patienten verschwinden sogar unerklärliche Beschwerden wie Nervenschmerzen wieder, wenn sie sich artgerecht ernähren.

 

Bei welchen Krankheiten wirkt Ernährungsmedizin?

Sie wirkt von A wie Adipositas bis Z wie Zöliakie. Menschen mit Stoffwechselerkrankungen, wie Typ-2-Diabetes und Gicht, profitieren davon ebenso wie Patienten mit Autoimmunkrankheiten, die nicht ursächlich behandelt werden können. Dazu gehören zum Beispiel rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose und Morbus Crohn. Aber auch auf zahlreiche andere Zivilisationskrankheiten hat artgerechte Kost positive Auswirkungen. Vielen Patienten geht es schon wenige Wochen nach einer Ernährungsumstellung deutlich besser. Und das ohne Verzicht und ohne Nebenwirkungen!

 

Raten Sie Ihren Patienten auch zu Nahrungsergänzungsmitteln?

Ja, wenn ich feststelle, dass es an bestimmten Vitalstoffen mangelt. Viele Menschen haben ein Vitamin-D-Defizit, vor allem im sonnenarmen Winterhalbjahr. Dann ist eine Substitution des Sonnenvitamins erforderlich. Veganern empfehle ich, ihren Vitamin-B-Spiegel messen zu lassen, vor allem an Vitamin B12 hapert es oft. Zudem rate ich allen, die nie oder nur selten Fisch essen, Omega-3-Fettsäuren in Form von Fischölkapseln einzunehmen. Diese Fettsäuren brauchen wir für geistige Leistungsfähigkeit und zum Schutz vor entzündlichen Prozessen im Körper. Patienten mit entzündlichen Krankheiten wie Arthritis empfehle ich unterstützend Kurkuma-Präparate. Generell ist es sinnvoll, die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit einem Ernährungsmediziner zu besprechen und hochwertige Präparate in der Apotheke zu kaufen.

 

Hand aufs Herz: Ernähren Sie sich selbst so vorbildlich, wie Sie es in Ihren TV-Sendungen und Ratgebern empfehlen?

Ja, ich esse aus Überzeugung artgerecht, koche gerne mit frischen Zutaten der Saison, verzichte auf Fertigprodukte und trinke maximal zwei Gläser Rotwein in der Woche. An sehr stressreichen Tagen schaffe ich es allerdings nicht immer, mit 25 Gramm Zucker auszukommen.

 

Und was essen Sie am liebsten?

Hausgemachte Erbsensuppe! Das mag vielleicht altmodisch sein, ist aber wahnsinnig lecker!

 

Sprechen Sie uns auch für Ernährungstipps an. Wir beraten Sie natürlich gern.

 

Naturheilkunde & Gesundheit
Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.