Machen Kohlenhydrate dick?

Jeder kennt sie seit Kindertagen: die alten Weisheiten, die sich um unsere Gesundheit ranken. Sind sie wahr oder falsch? Medizin oder Mythos?

Nudeln, nein danke. Kartoffeln? Lieber nicht. Sonst ist die gute Figur bald ruiniert. Ist das wirklich so? Stefanie Happ stellt diesen Mythos auf den Prüfstand. Ergänzt um Beispiele und Ernährungstipps.

Low Carb ist nicht kleinzukriegen. Dieser Ernährungstrend sagt: Wer keine Kohlenhydrate isst, bleibt immer rank und schlank. Statt sich zum Abendessen ein leckeres Pasta Gericht, Kartoffeln oder Reis schmecken zu lassen, stochern viele lustlos in ihrem Salat herum – aus Angst vor zu vielen Pfunden auf den Hüften. Muss das sein? Die Antwort lautet: Jein! Kohlenhydrate sind nicht per se schlecht. Es gibt nämlich gewaltige Unterschiede.

Unser Brennstoff

Kohlenhydrate bestehen aus Zuckermolekülen. Sie liefern zum einen lebenswichtige Energie, sie sind ein wichtiger Brennstoff für alle Zellen unseres Körpers, vor allem fürs Gehirn. Zum anderen können diese Ernährungsbestandteile aber auch ihre negativen Auswirkungen haben, zum Beispiel Übergewicht. Je nachdem, mit welcher Art von Kohlenhydraten wir es zu tun haben.  Zum Teil müssen diese erst noch durch Verdauungsenzyme im Körper aufgespalten werden, wodurch die Freisetzung langsamer erfolgt als bei reinem Industriezucker.

Schnelle Energie

Es gibt die sogenannten kurzkettigen Kohlenhydrate, die – auf Dauer und in größeren Mengen – tatsächlich als Dickmacher gelten. Dazu gehören Süßigkeiten, Marmeladen und Müsli mit Zuckerzusatz, Weißbrot und alle Backwaren, die aus hellem Mehl hergestellt sind, sprich: die „normalen“ Brötchen. Auch herkömmliche Nudeln und insbesondere geschälter Reis zählen zu den Lebensmitteln, die im Sinn von Low Carb auf der roten Liste stehen. Zugegebenermaßen schmecken sie ausgezeichnet. Der Körper verwandelt sie blitzschnell in Energie, und genau das ist der Haken. Denn so rasant dieser Kraftstoff im Organismus angekommen ist, genauso fix ist er verpufft. Viele „einfache“ Kohlenhydrate lassen den Blutzuckerspiegel rapide ansteigen und ebenso rasch fallen.

Sie kennen das vielleicht: Reichlich im Asia-Restaurant beim All-you-can-eat-Buffet zugeschlagen und immer eine große Portion Reis unter das leider häufig mit Glutamat (Geschmacksverstärker, der den Hunger weiter ankurbelt) versetzte Essen. Man möchte förmlich platzen. Die Bauchspeicheldrüse gibt ihr bestes und setzt meist zu viel Insulin frei, wodurch der Blutzucker sehr schnell und zu tief sinkt. Die Folge: Heißhunger auf noch mehr Süßes und Kohlehydrate. Der Körper gerät in eine Abwärtsspirale. Sportler, die für punktuelle Höchstleistungen ihre Ernährung ausrichten, können diesen Energieschub gewinnbringend ausnutzen. Was für den Durchschnittsmenschen bleibt, ist das Hüftgold.

Eine mögliche Folge haben Sie vielleicht schon bei Kindern beobachten können, eine Art Nervengewitter. Schnell zur Konzentrationsförderung ein Stück Traubenzucker, ein Glas Softdrink oder ggf. noch ein Stück Schokolade vor dem Lernen. Noch bevor es losgeht, dreht Ihr Kind so richtig auf, wird zappelig und kann sich nicht lange konzentrieren. Der schnell freigesetzte Zucker feuert die Nerven quasi an und wirkt dort im übertragenen Sinn vergleichbar wie manche Drogen. Das Gehirn kann zwar durch die gezielte Energieversorgung mittels Zucker (Glucose) kurzfristig höhere Leistung bringen, jedoch sorgt der folgende schnelle Abfall dann eher für eine Art Entzugssymptomatik. Besonders stark ausgeprägt findet man solches Verhalten bei ADHS-Kindern, die meist noch sensibler reagieren.

Lange satt

Ganz anders sieht die Sache mit den sogenannten langkettigen Kohlenhydraten aus. Sie stecken vor allem in stärkehaltigen und ballaststoffreichen Lebensmitteln wie Kartoffeln, Vollkornprodukten, Haferflocken (zumindest zum Teil), Hülsenfrüchten und vielen Gemüse- und Obstsorten. Hier ist Zugreifen erlaubt, weil sie viele Nährstoffe enthalten und ihre Arten von Kohlenhydraten komplex aufgebaut sind. Man spricht von Mehrfachzucker, also vielgliedrigen Molekülen, die erst nach und nach ins Blut übergehen und den Blutzuckerspiegel konstant halten – jedenfalls für eine ganze Weile. Der Sättigungsfaktor ist hoch und die Gefahr der Gewichtszunahme niedriger.

Rote Bete, mariniert mit gesunden Fetten, die sich z.B. auch in einem hochwertigen Seefisch wiederfinden (Kabeljau, Seelachs, Dorsch), eignen sich z.B. hervorragend für abendliche Gerichte, zumal am Abend meist kein Bedarf für hohe Kohlehydratzufuhr besteht und der Körper so besser zur Ruhe kommt.

Gleiches gilt auch für das Frühstück. Sind hier zu viel kurzkettige Kohlehydrate und zu wenig länger verfügbare Energiequellen enthalten, bekommen Sie zu schnell wieder Hunger und bemerken einen Leistungsabfall. Abhilfe schafft da die Beigabe von ein wenig Fett (Leinöl, Hanföl oder Kokosöl) garniert mit ein paar geschmacksbringenden Beeren oder gleich ein Quark Leinöl Frühstück nach Budwig.

Probieren Sie einfach aus, was Ihnen am besten schmeckt und fühlen in sich hinein, wie lange es Sie sättigt. Werfen Sie nicht gleich die Flinte ins Korn, wenn der Hunger zu schnell zurückkommt, denn der Körper stellt sich auf geänderte Nahrungszufuhr um. In vielen Fällen macht dann sogar ein 16/8 Intervallfasten Sinn, um diese Anpassungen zu trainieren und gleichzeitig den Ausscheidungsorganen Leber und Niere die Möglichkeit zu geben, sich mit anderen Aufgaben zu beschäftigen.

Jein!

Kohlenhydrate sind also nicht grundsätzlich schädlich oder Figurkiller, sie gehören auf den Speiseplan – die einen mehr, die anderen weniger. Für Schokoladenjunkies ist das keine so gute Nachricht, aber die Kartoffelfans dürfen sich freuen. Allerdings: auch hier macht die Dosis das „Gift“.

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Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.