Zivilisationskrankheiten – Essen wir uns krank?

Was haben Lebensmittel mit Zivilisationskrankheiten zu tun? Eine Ernährungstherapeutin spricht Klartext.

Zivilisationskrankheiten gehören heute in den Arztpraxen zum Tagesgeschäft. Rheuma, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Störungen im Verdauungssystem haben alle einen gemeinsamen Ursprung: unsere veränderte Lebensweise.

Ernährungsbedingte Zivilisationskrankheiten

  • Erkrankungen des Bewegungsapparates (Rheuma, Arthrose, Gicht und Bandscheibenschäden).
  • Stoffwechselkrankheiten (Diabetes Typ 2 und Störungen im Fettstoffwechsel).
  • Erkrankungen des Verdauungssystems (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Reizdarm).
  • Gefäßerkrankungen (Herz-Kreislauf-Störungen, Bluthochdruck und Thrombose).

Speziell in den letzten 150 Jahren ist die ständige Verfügbarkeit von industriell verarbeiteten Lebensmitteln immer weiter gestiegen. Zeitgleich ging die Notwendigkeit von körperlicher Betätigung signifikant zurück. Wir sind bequem geworden. Auch beim Essen. Fastfood, Fertiggerichte und die berüchtigten „Tütensuppen“ enthalten zu viel Zucker (bzw. Ersatzstoffe wie z.B. Isoglukose), Fette und Zusatzstoffe, die uns die Mahlzeiten versalzen. Hinzu kommen Leistungsdruck im Job, Stress im Privatleben und Gifte aus der Umwelt. So hat sich die Menschheit selbst einen Cocktail gemixt, der uns krank macht – zivilisationskrank. (Vgl. auch „Zivilisatose“ im Artikel Säure-Basen-Balance)

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit jedes Jahr 16 Millionen Menschen vor dem 70. Lebensjahr an sogenannten Zivilisationskrankheiten nicht nur leiden, sondern auch sterben.

Allen voran die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, denen Bluthochdruck (Hypertonie) meist vorausgeht. Experten sprechen von Wohlstandskrankheiten, die zu 100% vermeidbar sind, wenn wir es uns in unserer Lebensgestaltung weniger bequem machen: falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Genussmittel sind die häufigsten Auslöser, die Zivilisationskrankheiten hervorrufen. Die Ernährungstherapeutin und Heilpraktikerin Sonja Schmitz-Harwardt erklärt, inwiefern eine gesunde Ernährung eine Vielzahl von Krankheiten vermeiden und bestehende Symptome sogar lindern kann.

Frau Schmitz-Harwardt, warum denken viele Menschen, dass sie sich gesund ernähren, obwohl das Gegenteil der Fall ist?
Es gibt zwei Extreme. Die einen sind unterversorgt, weil sie zu wenig essen. Davon betroffen sind meistens Frauen, die sich das Frühstück sparen und Kohlenhydrate meiden. Früher oder später überfällt sie dann die Heißhungerattacke. Zum anderen Extrem gehören Menschen, die glauben, sie ernähren sich gesund, aber kritiklos zulangen. Erdbeeren im Januar und Weintrauben im April sind nicht gesund, weil sie weder saisonale noch regionale Produkte sind. Auf den langen Transportwegen bleiben Vitalstoffe auf der Strecke. Ich bin auf eine Studie gestoßen, die mich erschüttert hat. Unsere Lebensmittel heute haben in den letzten 20 Jahren massiv an Nährstoffen verloren. Kartoffeln enthielten im Jahr 1986 noch 14 Milligramm Calcium, heute nur noch 4 Milligramm. Das ist ein Minus von 70 %. Früher steckten in einer Banane noch 330 Milligramm Vitamin B6, heute gerade mal 22 Milligramm. Das sind unschlagbare 92 % Verlust. Die Formel, die 5 Obst- und Gemüsemahlzeiten am Tag empfiehlt, gilt heute nicht mehr. Wir müssen doppelt oder sogar dreifach so viel „Grünzeug“ essen. Das gelingt Frauen in der Mehrheit besser als den männlichen Fleischessern.

Warum leiden dann trotzdem mehr Frauen an Zivilisationskrankheiten als die Herren der Schöpfung?
Falsche Ernährung und eine schädliche Lebensweise sind zwar die Hauptverursacher von Zivilisationskrankheiten. Speziell bei Rheuma und Osteoporose kommt aber noch ein weiterer Risikofaktor hinzu: das weibliche Geschlecht. Männer haben mehr Muskelmasse, Frauen hingegen von Natur aus ein schwaches Bindegewebe. Entzündliche Prozesse spielen sich im Bindegewebe ab. Der Grund, warum Frauen häufig nach der Menopause an Osteoporose erkranken, ist der Hormonstatus. Der niedrige Östrogenspiegel führt zum Muskelabbau und einer Verschlechterung der Knochenstruktur. 80 % der Osteoporosepatienten sind weiblich. Dennoch sind Zivilisationskrankheiten kein Schicksal. Eine vegan-vegetarische Ernährung kann die Entstehung von Rheuma und anderen Gelenkproblemen verhindern oder die Symptome lindern. Pflanzliche Lebensmittel beugen Calciumausscheidung vor und verhindern so den Knochenabbau. Die Entzündungen bei rheumatischen Erkrankungen entstehen u. a. durch Arachidonsäure, die vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Wurst und Eiern vorkommt. Wer auf pflanzliche Ernährung setzt, der versorgt sich automatisch mit mehr antioxidativen Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen, die aggressive Sauerstoffradikale im Körper bekämpfen.

Können sich auch Männer gesundessen?
Das sollten sie sogar. Gicht betrifft hauptsächlich Männer. Der Grund ist der starke Fleischkonsum. Wer viel Fleisch und Wurst, Fisch und Meerestiere isst, überlastet sich mit Purinen. Das sind Stickstoffverbindungen, die zu Harnsäure abgebaut werden und sich dann als Harnsäurekristalle im Körper ablagern, vorzugsweise an den Gelenken. Gichtanfälle, die auf große Ess- oder Alkoholgelage folgen, sind sehr schmerzhaft. Ein Arzt kann den Harnsäurewert messen und das Gichtrisiko bestimmen. Zu einer Gichttherapie gehört auf jeden Fall der Verzicht auf Alkohol und tierische Lebensmittel. Purinreiche Gemüsesorten hingegen sind kaum ein Problem.

PS: Allerdings sollten Sprossen (somit auch Soja-Produkte), Nüsse und zellkernreiche Speisen gemieden bzw. nur in kleinen Mengen verzehrt werden. Hätten Sie es gewusst? Makrele gehört zu den Lebensmitteln mit dem höchsten Puringehalt, ebenso (Kidney)-Bohnen. Wichtig zur Regelung eines physiologischen Harnsäurespiegels ist das Spurenelement Molybdän und Trinkmengen an Wasser von 2-3 Litern täglich, im Sommer auch gern mehr.

Wie sieht es mit Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus?
Das sind die häufigsten Zivilisationskrankheiten aufgrund von falscher Ernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht, möglicherweise auch durch Typ-2-Diabetes. Kochsalz, in hoher Konzentration in Fleisch- und Wurstwaren enthalten, lässt den Blutdruck ansteigen. Kalium hingegen, ein Mineralsalz, das in Pflanzenkost enthalten ist, senkt den Blutdruck. Ebenso wie Calcium und Magnesium. Viel davon enthalten ist in Nüssen, Vollkorngetreide und grünem Gemüse. Pflanzenbetonte Ernährung führt außerdem zu einem Säure-Basen-Ausgleich. Eine basische Lebensweise verhindert die Entstehung zahlreicher Zivilisationskrankheiten.

Wichtig jedoch ist in diesem Zusammenhang immer die Salzverbindung der Mineralien, um die Niere nicht unnötig zu belasten und die Mineralien möglichst direkt ins Zielgewebe zu transportieren.

Lesen Sie mehr hierzu: Colaminphosphat, ein intelligentes Transportsystem für Mineralien und gleichzeitig Membranschutz.

Wie kann die vegan-vegetarische Ernährungsweise Diabetes mellitus beeinflussen?
Dazu muss man wissen, dass nicht nur Zucker der Hauptrisikofaktor für Diabetes Typ 2 ist, sondern auch der intensive Fleischverzehr. Nitrat und Nitrosamine in stark verarbeiteten Fleisch- und Wurstwaren schädigen die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Übergewicht, insbesondere im Bauchbereich, schwächt auf Dauer die Bauchspeicheldrüse. Insulin kann dann nicht mehr ausreichend wirken. Bei Typ-2-Diabetes liegt eine Stoffwechselerkrankung mit Insulinresistenz vor, die hauptsächlich Männer betrifft. Gewichtsreduzierung ist der erste Schritt in die richtige Richtung und kann durch eine vegan-vegetarische Ernährung, die reich an Antioxidantien und Mineralstoffen ist, am besten erreicht werden. Ziel ist, die medikamentöse Diabetesbehandlung zu reduzieren und Spätfolgen einzudämmen.

Inwieweit kann die Apotheke helfen, Zivilisationskrankheiten zu verhindern?
Da unsere Lebensmittel heute leider nicht mehr so nährstoffreich sind wie früher, kann es sinnvoll sein, auf Calcium- und Magnesiumpräparate aus der Apotheke für einen begrenzten Zeitraum zurückzugreifen. Sie dienen immer der Ergänzung und können eine ungesunde Ernährung nicht kompensieren. Aus der Reihe der Schüßler-Salze gibt es Mittel, die unterstützend wirken. Nr. 1 Calcium fluoratum stärkt das Bindegewebe und die Knochen. Gut für Frauen. Nr. 15 Kalium jodatum nimmt positiven Einfluss auf erhöhten Blutdruck. Nr. 23 Natrium bicarbonicum bringt den Säure-Basen-Haushalt in seine Balance. Beliebt sind auch Nahrungsergänzungsmittel wie Gersten- oder Weizengrassaft. In Pulverform gibt es sie in der Apotheke. Sie sind leicht anzurühren und sollen in ihrer Wirkung zellschützend sein.

Antioxidative Lebensmittel

Tomaten: Je röter die Schale, desto mehr Carotinoide sind enthalten.
Zitrusfrüchte: Im Winter haben sie Saison und enthalten viel Vitamin C und E.
Nüsse: Das wertvolle Vitamin E steckt auch in Erdnuss- und Walnussöl.
Hafer zählt zu den gesündesten Getreidearten und beugt Entzündungen vor.

Füllen Sie Ihren Mineralstoffhaushalt auf mit Schüßler-Salzen, Calcium- und Magnesiumpräparaten aus Ihrer Apotheke, wozu wir Sie gern weitergehend beraten!

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Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.