Vegan leben – warum eigentlich?

Diese Frage stellen sich viele Menschen, die auf Tierfrei-Produkte und deren Fans stoßen. Wer Veganer nach ihren Gründen fragt, erhält unterschiedliche Antworten. Meist ist die persönliche Vegan-Philosophie ein Mix aus mehreren Beweggründen!

Die Tiere

Allein in Deutschland werden jährlich etwa 7,9 Millionen Schweine, Hühner und andere Tiere geschlachtet, weltweit mehr als 50 Milliarden. Für Leder, Kosmetik und Daunenkissen lassen weitere Tiere ihr Leben. Viele Veganer sehen darüber hinaus in der Massentierhaltung und in den gängigen Praktiken der Milch- und Eierproduktion ein großes Leid für die Tiere. Andere Lebewesen für den persönlichen Luxus auszubeuten und zu töten können sie nicht mit ihren Grundwerten vereinbaren.

Die Religion

Gläubige Buddhisten, Hindus, Muslime und Juden verzichten auf Fleisch oder Produkte bestimmter Tierarten. Auch im Christentum gibt es Speisegebote: Freitags und in der Fastenzeit kommt kein Fleisch auf den Tisch, allenfalls Fisch.

Die Umwelt

Bis zum Produkt Fleisch, Milch oder Ei sind große Mengen Wasser und Energie nötig. Laut der UNESCO werden bis zu 15.500 Liter Wasser benötigt, um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren. Zum Vergleich: Ein Kilo Brot braucht etwa 1.300 Liter. Die Tiere selbst, deren Transporte und die Futterherstellung produzieren zudem viel CO2. Laut VEBU verursachen Erzeugung und Konsum tierischer Lebensmittel weitaus mehr Treibhausgase als pflanzliche Produkte. Anfallende Gülle verunreinigt das Trinkwasser. Für Weiden und Ackerland für Tierfutter werden riesige (Regen) waldflächen abgeholzt. Luft, Böden und Gewässer werden durch Massentierhaltung stark belastet, die Umwelt massiv geschädigt und der Lebensraum etlicher Arten beeinträchtigt. Eine pflanzenbasierte Ernährung halbiert laut VEBU den CO2 -Fußabdruck.

Die Gesundheit

Bei den meisten Zivilisationskrankheiten spielen Übergewicht und ein hoher Fleischkonsum eine Rolle. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte im Herbst 2015 rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen ein, besonders in Bezug auf Dickdarmkrebs. Pflanzliche Ernährung kann Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme und weiteren Krankheiten vorbeugen. Wissenschaftliche Studien belegen: Vegane Ernährung bietet ein großes Potenzial zur Prävention ernährungsassoziierter Erkrankungen. Darüber hinaus bergen Lebensmittelskandale, Seuchen und der hohe Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung Risiken für unsere Gesundheit.

Die globale Gerechtigkeit

Je mehr Tiere und Viehfutter benötigt werden, desto mehr essbare Pflanzen dienen nicht der Ernährung von Menschen, sondern werden verfüttert. Über 70 Prozent der weltweiten Agrarflächen sind Weideland, das teilweise zum Anbau pflanzlicher Nahrung für den Menschen nutzbar wäre. Nur noch 43 Prozent der weltweiten Getreideernte dienen direkt als Lebensmittel, auf über 70 Prozent des vorhandenen Ackerlandes wachsen Futtermittel. So werden Ernteerträge und Ackerflächen knapp. Die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln wie Mais, Soja und Weizen als Futtermittel erhöht die Weltmarktpreise. Viele Veganer möchten diese Schieflage der Ressourcenverteilung angesichts des weltweiten Wasser- und Nahrungsmangels nicht unterstützen.

Der Genuss

Die Auswahl pflanzlicher Lebensmittel im Supermarkt wächst, die Preise für vegane Alternativen sinken. Mittlerweile gibt es unzählige Kochbuchautoren, Lebensmittelhersteller und Restaurants, die die vegane Küche einfach und geschmackvoll machen. Immer mehr Menschen finden Spaß daran, neue pflanzliche Lebensmittel und Zubereitungsarten zu entdecken.

Körpergewicht, Blutdruck und Blutfettwerte sind bei Vegetariern und Veganern meist auffällig gut. Ein jährlicher Check beim Arzt sollte trotzdem sein.

Nicht so einfach

Gegen all diese Argumente spricht:
Vegane Ernährung allein kann die Welt nicht retten. Auch die industrialisierte Produktion pflanzlicher Lebensmittel geschieht auf Kosten der Artenvielfalt, fördert Rohstoffverschwendung, Regenwaldabholzung, Überdüngung, Pestizidbelastung, Emissionen und eine ungerechte Verteilung von Nahrungsmitteln. Um alle genannten Probleme zu lösen, wäre eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft nötig, die weltweit für satte Menschen und eine gesunde Natur sorgt.

Wir fragen den Experten

Dr. Markus Keller, Hochschullehrer und Studiengangsleiter Vegan Food Management an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln, wie gesund ist vegan wirklich?

Kritiker setzen eine vegane Ernährung gern mit Nährstoffmangel gleich. Ein klares Nein: Genau wie bei der Mischkost mit tierischen Produkten bestimmt die Auswahl der Lebensmittel die ernährungsphysiologische Qualität. Alle Nährstoffe können in ausreichender Menge in einem veganen Speiseplan stecken. Die einzige Ausnahme bleibt Vitamin B12, das immer zugeführt werden muss.

(Lesen Sie auch: Veganer/in? Das sollten Sie beachten… und Vitamin B12-Mangel und Vitamin B-Komplex, die Teamplayer)

Dr. Markus Keller weiß: „Im Allgemeinen sind Veganer mit vielen Nährstoffen besser versorgt als die Allgemeinbevölkerung.“ Sie punkten bei Antioxidantien wie Beta-Carotin, den Vitaminen C und E, bei Folat, Biotin, Magnesium sowie sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen. Bei den Hauptnährstoffen Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate erreichen Veganer sogar am ehesten die Empfehlungen der Fachgesellschaften. Der Ernährungswissenschaftler bestätigt: „Veganer haben darüber hinaus ein geringeres Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck. Sie leiden seltener an Herz-Kreislauf-Krankheiten und haben tendenziell ein leicht verringertes Krebsrisiko.“ Dr. Keller empfiehlt, bei potenziell kritischen Nährstoffen genau hinzusehen und gegebenenfalls zu ergänzen: „Jod, Kalzium, Vitamin B2, Zink und Omega-3-Fettsäuren sowie Eisen bei Frauen können zu kurz kommen.“ Sein Rat: „Wer alle tierischen Lebensmittel von seinem Speiseplan streicht, sollte sich gut informieren oder fachlich beraten lassen, um eine optimale Nährstoffversorgung sicherzustellen. Wichtig ist, dass Vitamin B12 zuverlässig supplementiert wird.“

Zwar enthält die Blaualge Spirulina B12, allerdings ist es zu 80% ein Analogon, das vom Körper nicht verwertet werden kann.

Langkettige Omega-3-Fettsäuren kann man ersatzweise auch über ein mit Mikroalgenöl angereichertes Leinöl aufnehmen.

In den USA gilt eine gut geplante vegane Ernährung bei offiziellen Verbänden wie der „Acadamy of Nutrition and Dietetics“ als gesunde Ernährungsweise, selbst für Babys und Kinder sowie in Schwangerschaft und Stillzeit. Die Fachgesellschaften hierzulande sprechen noch Warnungen aus, während immer mehr deutsche Ernährungsmediziner und Oecotrophologen grünes Licht geben. Dr. Keller setzt auf Information: „Eine vegane Ernährung ist in diesen Lebensphasen besonders anspruchsvoll. Aber ohne Gesundheitsrisiken umsetzbar, wenn besonders auf eine ausreichende Zufuhr der kritischen Nährstoffe geachtet wird.“

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Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.