Post-COVID natürlich behandeln

Bleierne Erschöpfung, Gedächtnisschwäche und Atemnot sind nur einige Beispiele typischer Beschwerden für die Langzeitfolgen der Corona-Infektion. Doch die Naturheilkunde kann auf vielfältige Weise zum Gesundwerden beitragen, macht der Experte Dr. Thomas Rampp (Oberarzt an der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte) Betroffenen im Interview mit Stephanie Drönner Mut: „Unsere Selbstheilungskraft ist unglaublich!“

Herr Dr. Rampp, Sie betreuen auch zahlreiche an Post-COVID Erkrankte. Wie helfen Sie denen?

Wichtig ist erstmal, die Patienten ernst zu nehmen und über die Erkrankung aufzuklären, denn viele sind total verunsichert. Es handelt sich ja um eine Multisystem-Erkrankung. Und das heißt, es gilt nicht einzelne Symptome, sondern den ganzen Menschen zu erfassen und zu behandeln. Man muss den Betroffenen klarmachen, dass Körper, Geist und Seele zusammengehören. Das ist so ein deutsches Phänomen, dass wir die Psyche völlig abtrennen vom Körper. Aber wir haben da unsere traditionellen Medizinsysteme; mit denen können wir meistens gut helfen. Und wir arbeiten klassisch naturheilkundlich: Bei Erschöpfung ist zum Beispiel hochdosiertes Vitamin C sehr gut. Auch wichtig ist die ausreichende Versorgung mit Zink und Vitamin D, das bei einem niedrigen Spiegel unbedingt in Tablettenform eingenommen werden sollte.

Welche Maßnahmen sind zur Regeneration wichtig?

Wir orientieren uns an fünf Säulen – Bewegung, Ernährung, Phytotherapie und Physiotherapie mit Kneipp-Anwendungen. Und dann die Ordnungstherapie: Betroffene müssen wieder eine Struktur bekommen, einen geregelten Tagesablauf, das ist auch ganz, ganz wichtig. Es sind diese fünf Säulen von Kneipp, die man aber auch im Ayurveda und in der TCM findet.

Apropos Ernährung: Ist reine Pflanzenkost bei Post-COVID empfehlenswert?

Also wir sind keine Fleischverbieter. In der klassischen Naturheilkunde, egal ob indisch, chinesisch oder europäisch, gibt es Veganismus nicht. Bei Erschöpfungszuständen würden wir aus energetischen Gründen sogar dazu raten, tierische Mahlzeiten, etwa eine Fleischbrühe, zu sich zu nehmen. Allerdings sollte man, wenn es irgendwie geht, auf Bioprodukte zurückgreifen.

Warum spielt die Psyche bei Post-COVID so eine große Rolle?

Stress ist hier ein wichtiger Faktor. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele schon aus einer sehr, sehr gestressten Situation kommen, und dann sorgt Post-COVID für noch mehr Stress. Aus dieser Schleife muss man Betroffene unbedingt rausholen. Das klappt gut mit Entspannungsverfahren, kombiniert mit Phytopharmaka wie Lavendel, Johanniskraut, Passionsblume, Baldrian und Phytotherapeutika aus der chinesischen und indischen Medizin.

Lässt sich schmerzenden Knochen und Gelenken bei Post-COVID sanft entgegenwirken?

Klar, Akupunktur ist da sehr hilfreich. Oder Kneippsche Güsse und Wickel. Wir schauen da nach der Konstitution. Wenn etwa das Knie immer dick und heiß wird, mit etwas Kühlendem arbeiten, wie Quark. Bei kalten Knien ist hingegen eher ein warmer Bockshornkleewickel empfehlenswert.

Und was bringt eine aus dem Takt geratene Verdauung wieder in Balance?

Auch hier sind Wickel und Auflagen prima, Heilerde zur innerlichen Anwendung, sowie Pfefferminz- oder Kamillentee. Wir bringen unseren Patienten mit häufig wiederkehrenden Bauchsymptomen Bauchhypnose bei. Damit können sie sich dann selbst in einen meditativen Zustand versetzen und den Bauch beruhigen, etwa indem sie sich vorstellen, als Kapsel durch den Darm zu wandern und so dort ein gutes Klima zu erzeugen. Das kann jeder erlernen.

Können Sie auch Tipps bei Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns geben?

Wir haben die Unterzungenvenen-Akupunktur aus der Onkologie übernommen. Auch Ölziehen und Schleimhautpflege sind hilfreich sowie Geruchstraining mit Gewürzen wie Zimt.

Als typische Beschwerden gelten zudem Gedächtnisprobleme, auch Brainfog genannt. Wie sieht es da mit natürlicher Hilfe aus?

Ich empfehle, sich möglichst viel in der Natur aufzuhalten. Brainfog hängt auch viel mit Stress zusammen, daher können Meditation und Entspannung helfen. Und dann natürlich Ginkgo, Ashwagandha und Ginseng, die gibt’s als Fertigmedikamente oder Tees in der Apotheke. Auch ein Kneippscher Gesichtsguss ist wunderbar.

Und wie bekämpfe ich Kurzatmigkeit, Husten und Brustschmerzen?

Etwa mit einer Sternum-Ingwer-Auflage oder dem Kneippschen kalten Brustwickel. Wenn Luftnot dabei ist, rate ich auch immer zur Atemtherapie mit Übungen, wie gegen erhöhten Widerstand ein- und ausatmen. Bei Olympia gab es einen deutschen Ringer, der nach seiner COVID-Erkrankung lange Probleme mit der Lunge hatte. Durch ein intensives Übungsprogramm für die Lunge hat der sich selbst geheilt und sogar die Bronzemedaille geholt! Wir haben so ein großes Potenzial an Selbstheilungskraft in uns, das ist unglaublich!

Und natürlich stehen wir Ihnen gern beratend zur Seite.

Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.